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'''Bad Reichenhall''' ist die Große Kreisstadt des Landkreises Berchtesgadener Land mit Sitz eines Landratsamtes, Bezirk Oberbayern. Bekannt ist Bad Reichenhall durch das hier seit nachweislich dem Jahre 696 erzeugte Salz. Zum internationalen Kurort und Heilbad entwickelte sich der Ort ab dem Jahre 1846; 1899 wurde Bad Reichenhall zum königlich bayerischen Bad (seit 1918: Staatsbad) erhoben. Zu der an der Saalach gelegenen Stadt gehören heute die ehemals politisch eigenständigen Gemeinden St. Zeno, [[Marzoll (Bad Reichenhall)|Marzoll]] und Karlstein.  
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'''Bad Reichenhall''' ist die Große Kreisstadt des Landkreises Berchtesgadener Land mit Sitz eines Landratsamtes, Bezirk Oberbayern. Bekannt ist Bad Reichenhall durch das hier seit nachweislich dem Jahre 696 erzeugte Salz. Zum internationalen Kurort und Heilbad entwickelte sich der Ort ab dem Jahre 1846; 1899 wurde Bad Reichenhall zum königlich bayerischen Bad (seit 1918: Staatsbad) erhoben. Zu der an der Saalach gelegenen Stadt gehören heute die ehemals politisch eigenständigen Gemeinden St. Zeno, [[Marzoll (Bad Reichenhall)|Marzoll]] und [[Karlstein (Bad Reichenhall)|Karlstein]].  
[[Image:AS1.JPG|thumbnail|Die Alte Saline ist das Wahrzeichen von Bad Reichenhall]]
[[Image:AS1.JPG|thumbnail|Die Alte Saline ist das Wahrzeichen von Bad Reichenhall]]
[[Image:Türk Tal.JPG|thumbnail|Blick in das Reichenhaller Becken von Nordosten]]
[[Image:Türk Tal.JPG|thumbnail|Blick in das Reichenhaller Becken von Nordosten]]
[[Image:Keltgeld.JPG|thumbnail|Keltisches Geld aus Karlstein mit Kugelpferd-Motiv]]
[[Image:KGK.jpg|thumbnail|Keltisches Geld aus Karlstein mit Kugelpferd-Motiv]]
[[Image:Gutshof Marzoll.jpg|thumbnail|Rekonstruktion des römischen Gutshofs in Marzoll]]
[[Image:Gutshof Marzoll.jpg|thumbnail|Rekonstruktion des römischen Gutshofs in Marzoll]]
[[Image:AK4.JPG|thumbnail|Der heilige Rupert predigt in Reichenhall. Fenster in der Ägidikirche]]
[[Image:AK4.JPG|thumbnail|Der heilige Rupert predigt in Reichenhall. Fenster in der Ägidikirche]]
[[Image:BuGr5.JPG|thumbnail|Burg Gruttenstein von Westen]]
[[Image:BuGr5.JPG|thumbnail|Burg Gruttenstein von Westen]]
[[Image:S1.JPG|thumbnail|Soleschöpfbrunnen und Sudhäuser in Reichenhall, 1544]]
[[Image:S1.JPG|thumbnail|Soleschöpfbrunnen und Pfannhäuser in Reichenhall vor 1438]]
[[Image:Rei1590.JPG|thumbnail|Älteste Ansicht der Salinenstadt Reichenhall um 1590]]
[[Image:Rei1590.JPG|thumbnail|Älteste Ansicht der Salinenstadt Reichenhall um 1590]]
[[Image:Patrizierhäuser.JPG|thumbnail|Lage der Patrizierhäuser in Reichenhall im Spätmittelalter]]
[[Image:PR1.JPG|thumbnail|Lage der Patrizierhäuser in Reichenhall im Spätmittelalter]]
[[Image:Wappen 1.JPG|thumbnail|Wappen der Stadt Reichenhall, 1523]]
[[Image:Wappen 1.JPG|thumbnail|Wappen der Stadt Reichenhall, 1523]]
[[Image:S3.JPG|thumbnail|Die Reichenhaller Saline Anfang des 18. Jahrhunderts]]
[[Image:S3.JPG|thumbnail|Die Reichenhaller Saline Anfang des 18. Jahrhunderts]]
[[Image:SN7.JPG|thumbnail|Reichenhall um 1700]]
[[Image:SN7.JPG|thumbnail|Reichenhall um 1700]]
[[Image:Gewerbe 18.Jh.JPG|thumbnail|Gewerbe in Reichenhall im 18. Jahrhundert]]
[[Image:PR2.JPG|thumbnail|Gewerbe in Reichenhall im 18. Jahrhundert]]
[[Image:1790.JPG|thumbnail|Reichenhall Ende des 18. Jh.]]
[[Image:1790.JPG|thumbnail|Reichenhall Ende des 18. Jh.]]
[[Image:AS3.JPG|thumbnail|Alte Saline, Wasserräder im Hauptbrunnhaus]]
[[Image:AS3.JPG|thumbnail|Alte Saline, Wasserräder im Hauptbrunnhaus]]
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Bereits kurz vor der Inbesitznahme des keltischen Königreichs Norikum durch die Römer 15 v. Chr. verlagerten sich die Höhensiedlungen in die Talniederungen.  In Fager (Ortsteil Karlstein) entstand eine von ca. 60 – 80 Personen bewohnte dörfliche Siedlung (vicus) , die von ihrer Lage am Handelsweg von Salzburg in Richtung Chiemgau bzw. Pinzgau profitierte.  Unmittelbar nach der Ankunft der Römer errichtete man in Marzoll eine repräsentative Villa (villa rustica), zunächst aus Holz, ab dem 2. Jh. n. Chr. aus Stein. Diese Villa fiel möglicherweise einem zwischen 166 und 180 n. Chr. erfolgten Markomanneneinfall zum Opfer, wurde dann in verkleinerter Form wieder aufgebaut, ehe sie im Jahre 242 n. Chr. endgültig zerstört wurde.
Bereits kurz vor der Inbesitznahme des keltischen Königreichs Norikum durch die Römer 15 v. Chr. verlagerten sich die Höhensiedlungen in die Talniederungen.  In Fager (Ortsteil Karlstein) entstand eine von ca. 60 – 80 Personen bewohnte dörfliche Siedlung (vicus) , die von ihrer Lage am Handelsweg von Salzburg in Richtung Chiemgau bzw. Pinzgau profitierte.  Unmittelbar nach der Ankunft der Römer errichtete man in Marzoll eine repräsentative Villa (villa rustica), zunächst aus Holz, ab dem 2. Jh. n. Chr. aus Stein. Diese Villa fiel möglicherweise einem zwischen 166 und 180 n. Chr. erfolgten Markomanneneinfall zum Opfer, wurde dann in verkleinerter Form wieder aufgebaut, ehe sie im Jahre 242 n. Chr. endgültig zerstört wurde.
   
   
Die Besiedelung des eigentlichen Stadtgebiets , ebenso die [[Salzherstellung in Bad Reichenhall (Geschichte)|Salzgewinnung]], zur Zeit der Römer ist bislang archäologisch nicht nachgewiesen, jedoch naheliegend. Denn der lateinische Name Reichenhalls lautete „Salinas“ (= Saline). Bis heute weisen zahlreiche Orts- und Flurnamen im Reichenhaller Becken eine lateinische Herkunft auf. Als Rückzugsgebiet für die Bevölkerung während der Völkerwanderungszeit könnte die große Wallanlage auf dem Kirchholz gedient haben. Als Nekropole mit möglicherweise längerer Tradition entwickelte sich der Kirchberg jenseits der Saalach, in dessen Nähe ein umfangreiches bajuwarisches Reihengräberfeld aus der Zeit zwischen 550 und 730 entdeckt wurde. Bei den Bestatteten handelte es sich teilweise um christliche [[Salzburger Romania|Romanen]], teilweise um heidnische Germanen.
Die Besiedelung des eigentlichen Stadtgebiets , ebenso die [[Salzherstellung in Bad Reichenhall (Geschichte)|Salzgewinnung]], zur Zeit der Römer ist bislang archäologisch nicht nachgewiesen, jedoch naheliegend. Denn der lateinische Name Reichenhalls lautete „Salinas“ (= Saline). Bis heute weisen zahlreiche Orts- und Flurnamen im Reichenhaller Becken eine lateinische Herkunft auf. Als Rückzugsgebiet für die Bevölkerung während der Völkerwanderungszeit könnte die große Wallanlage auf dem [[Kirchholz]] gedient haben. Als Nekropole mit möglicherweise längerer Tradition entwickelte sich der Kirchberg jenseits der Saalach, in dessen Nähe ein umfangreiches bajuwarisches Reihengräberfeld aus der Zeit zwischen 550 und 730 entdeckt wurde. Bei den Bestatteten handelte es sich teilweise um christliche [[Salzburger Romania|Romanen]], teilweise um heidnische Germanen.
 


== Historische Zeit; Blütezeit der Salinenstadt ==
== Historische Zeit; Blütezeit der Salinenstadt ==


Mit dem Auftreten des hl. Rupertus, Bischof von Worms und „Apostel der Bayern“, im Jahre 696 beginnt für Bad Reichenhall die Schriftlichkeit. Für dieses Jahr werden sowohl der Ort als auch die Saline [[Salzburger Güterverzeichnisse|urkundlich genannt]]. Der Bayernherzog Theodo schenkte dem hl. Rupertus ein Drittel der Reichenhaller Saline, um damit die beabsichtigte Gründung der Salzburger Kirche wirtschaftlich abzusichern. Einer spätestens im 15. Jahrhundert entstandenen Legende nach gelangte Rupertus im Jahre 696 nach Reichenhall, wo man ihm den von den Hunnen unter Attila zerstörten Solebrunnen zeigte. Daraufhin schlug der Heilige mit seinem Bischofsstab gegen einen Stein, woraufhin Salzwasser herausströmte. Somit galt der hl. [[Reichenhaller Rupertus|Rupertus als legendenhafter Wiederentdecker der Reichenhaller Solequellen.  
Mit dem Auftreten des [[Rupert von Salzburg|hl. Rupertus]], Bischof von Worms und „Apostel der Bayern“, im Jahre 696 beginnt für Bad Reichenhall die Schriftlichkeit. Für dieses Jahr werden sowohl der Ort als auch die Saline [[Salzburger Güterverzeichnisse|urkundlich genannt]]. Der Bayernherzog Theodo II. schenkte dem hl. Rupertus ein Drittel der Reichenhaller Saline, um damit die beabsichtigte Gründung der Salzburger Kirche wirtschaftlich abzusichern. Einer spätestens im 15. Jahrhundert entstandenen Legende nach gelangte Rupertus im Jahre 696 nach Reichenhall, wo man ihm den von den Hunnen unter Attila zerstörten Solebrunnen zeigte. Daraufhin schlug der Heilige mit seinem Bischofsstab gegen einen Stein, woraufhin Salzwasser herausströmte. Somit galt der hl. [[Reichenhaller Rupertus|Rupertus als legendenhafter Wiederentdecker der Reichenhaller Solequellen.  
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Seit dem 8. Jahrhundert findet sich in den Quellen als neuer [[Ortsnamen mit Hall (Etymologie)|Ortsname „Hal(l)“]], der bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts den älteren Ortsnamen „Salinas“ gänzlich verdrängte. Bis in das ausgehende 12. Jahrhundert galt die Reichenhaller Saline als die einzige leistungsfähige und exportorientierte Saline im gesamten Ostalpenraum und in weiten Teilen Mitteleuropas. Zahlreiche kirchliche und adelige Eigentümer teilten sich die auf viele Anteile aufgesplitterte Reichenhaller Saline, die eine Monopolstellung innehatte. Üblicherweise ließen die Eigentümer ihre Anteile durch Leibeigene verwalten, die als spezialisierte Arbeiterschicht sich im Laufe der Zeit eine Sonderstellung erarbeiten konnten und schließlich zum Patriziat der Stadt aufstiegen. Durch den Handel mit Salz aus Reichenhall entstand noch vor der ersten Jahrtausendwende der Handelsweg „[[Goldener Steig]]“, der sich zum bedeutendsten in Süddeutschland und Böhmen entwickelte.
Seit dem 8. Jahrhundert findet sich in den Quellen als neuer [[Ortsnamen mit Hall (Etymologie)|Ortsname „Hal(l)“]], der bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts den älteren Ortsnamen „Salinas“ gänzlich verdrängte. Bis in das ausgehende 12. Jahrhundert galt die Reichenhaller Saline als die einzige leistungsfähige und exportorientierte Saline im gesamten Ostalpenraum und in weiten Teilen Mitteleuropas. Zahlreiche kirchliche und adelige Eigentümer teilten sich die auf viele Anteile aufgesplitterte Reichenhaller Saline, die eine Monopolstellung innehatte. Üblicherweise ließen die Eigentümer ihre Anteile durch Leibeigene verwalten, die als spezialisierte Arbeiterschicht sich im Laufe der Zeit eine Sonderstellung erarbeiten konnten und schließlich zum Patriziat der Stadt aufstiegen. Durch den Handel mit Salz aus Reichenhall entstand noch vor der ersten Jahrtausendwende der Handelsweg „[[Goldener Steig]]“, der sich zum bedeutendsten in Süddeutschland und Böhmen entwickelte.


Die vielen Anteilsnehmer und die damit verbundenen Rechtsstreitigkeiten führten um das Jahr 1070 zur Entstehung einer Amtsgrafschaft, der so genannten „Hallgrafschaft“. Amtsträger war zunächst Graf Arnold von Dießen, dessen Nachkommen sich nach der Burg Wasserburg nannten. Ihm oblag die Organisation und Überwachung der Saline und des Salzhandels. Die Hallgrafschaft wurde innerhalb der Familie weiter verlehnt, ehe der Hallgraf Gebhard II. 1169 in das Kloster Reichersberg eintrat. Dem voraus gegangen waren heftige Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser Friedrich I. Barbarossa und dem Salzburger Erzbischof Adalbert II. Daraufhin übernahm Herzog Heinrich der Löwe  die Hallgrafschaft zu Lehen. Ein vom Herzog eingesetzter Stadtrichter nahm die bislang von den Hallgrafen verrichteten Aufgaben wahr. Zwar trug der Wasserburger Graf Dietrich II. 1183 erneut den Titel eines Hallgrafen, ohne allerdings damit Rechte geltend machen zu können. Der letzte Hallgraf, Konrad, starb im Jahre 1259.  
Die vielen Anteilsnehmer und die damit verbundenen Rechtsstreitigkeiten führten um das Jahr 1070 zur Entstehung einer Amtsgrafschaft, der so genannten „[[Hallgrafschaft]]“. Amtsträger war zunächst Graf Arnold von Dießen, dessen Nachkommen sich nach der Burg Wasserburg nannten. Ihm oblag die Organisation und Überwachung der Saline und des Salzhandels. Die Hallgrafschaft wurde innerhalb der Familie weiter verlehnt, ehe der Hallgraf Gebhard II. 1169 in das Kloster Reichersberg eintrat. Dem voraus gegangen waren heftige Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser Friedrich I. Barbarossa und dem Salzburger Erzbischof Adalbert II. Daraufhin übernahm Herzog Heinrich der Löwe  die Hallgrafschaft zu Lehen. Ein vom Herzog eingesetzter Stadtrichter nahm die bislang von den Hallgrafen verrichteten Aufgaben wahr. Zwar trug der Wasserburger Graf Dietrich II. 1183 erneut den Titel eines Hallgrafen, ohne allerdings damit Rechte geltend machen zu können. Der letzte Hallgraf, Konrad, starb im Jahre 1259.  


Der Stadtwerdungsprozess Reichenhalls erfolgte während der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, maßgeblich bestimmt durch die Reorganisationen nach dem Investitursteit und das städtebauliche Programm des Salzburger Erzbischofs Konrad I. von Abenberg. Die Gründung des [[Augustiner-Chorherrenstift St. Zeno|Augustiner-Chorherrenstifts St. Zeno]] 1136 und die Errichtung einer ersten [[Stadtbefestigung Reichenhall|Stadtmauer]] fallen in diese Zeit. 1144 ist urkundlich von einem „castrum“ die Rede, um 1150 von einem „Oppidum“, 1159 von „civitas“ (Stadt). Damit ist Reichenhall mit Ausnahme der auf römische Tradition zurückgehenden Bischofsstädte als eine der ältesten Städte Bayerns anzusprechen.
Der Stadtwerdungsprozess Reichenhalls erfolgte während der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, maßgeblich bestimmt durch die Reorganisationen nach dem Investitursteit und das städtebauliche Programm des Salzburger Erzbischofs Konrad I. von Abenberg. Die Gründung des [[Augustiner-Chorherrenstift St. Zeno|Augustiner-Chorherrenstifts St. Zeno]] 1136 und die Errichtung einer ersten [[Stadtbefestigung Reichenhall|Stadtmauer]] fallen in diese Zeit. 1144 ist urkundlich von einem „castrum“ die Rede, um 1150 von einem „Oppidum“, 1159 von „civitas“ (Stadt). Damit ist Reichenhall mit Ausnahme der auf römische Tradition zurückgehenden Bischofsstädte als eine der ältesten Städte Bayerns anzusprechen.


== Der Monopolbruch von 1196 und die Folgen ==
== Der Monopolbruch von 1196 und die Folgen ==


Während der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts war die Reichenhaller Saline nicht mehr in der Lage, der stark gestiegenen Nachfrage an Salz zu entsprechen. Eine Ursache lag in der politisch krisenhaften Zeit, die dazu führte, dass Reichenhall 1171 in Flammen aufging. Eine allgemein intensive Suche nach neuen Salzvorkommen führte zur Entstehung kleinerer Salinen, so etwa in Hall bei Admont und in Unken. Salz wurde um das Jahr 1190 zudem am Gollenbach und Tuval entdeckt und von den Augustiner-Chorherren aus Berchtesgaden ausgebeutet, ebenso auf dem Dürrnberg, wo die Abtei St. Peter (Salzburg) mit einer vorerst bescheidenen Salzerzeugung begann. Möglich wurde die Salzgewinnung aus Steinsalz erst durch die damals eingeführte Methode des Sinkwerkverfahrens, das vermutlich seinen Ursprung in Lothringen hatte und durch den Orden der Zisterzienser in den Ostalpenraum gebracht wurde.
Während der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts war die Reichenhaller Saline nicht mehr in der Lage, der stark gestiegenen Nachfrage an Salz zu entsprechen. Eine Ursache lag in der politisch krisenhaften Zeit, die dazu führte, dass Reichenhall 1171 in Flammen aufging. Eine allgemein intensive Suche nach neuen Salzvorkommen führte zur Entstehung kleinerer Salinen, so etwa in Hall bei Admont und in Unken. Salz wurde um das Jahr 1190 zudem am [[Salzbergwerk Berchtesgaden|Gollenbach und Tuval]] entdeckt und von den Augustiner-Chorherren aus Berchtesgaden ausgebeutet, ebenso auf dem Dürrnberg, wo die Abtei St. Peter (Salzburg) mit einer vorerst bescheidenen Salzerzeugung begann. Möglich wurde die Salzgewinnung aus Steinsalz erst durch die damals eingeführte Methode des Sinkwerkverfahrens, das vermutlich seinen Ursprung in Lothringen hatte und durch den Orden der Zisterzienser in den Ostalpenraum gebracht wurde.
   
   
Sowohl die Propstei Berchtesgaden als auch die Abtei St. Peter hatten Anteile an der Reichenhaller Saline. Die Gruppe der Anteilsnehmer, damals bereits beherrscht von den Patriziern,  sah ein derartiges Ausscheren aus den Kartellzwängen nicht vor und belegte daher die Propstei mit einer Sonderbesteuerung, später auch mit der Einziehung des Vermögens. Der Salzburger Erzbischof Adalbert II. erblickte in der Berchtesgadener Salzgewinnung eine Konkurrenz nicht so sehr der Reichenhaller Saline, wo er nach wie vor größter Anteilsnehmer war, als viel mehr seiner eigenen Ambitionen auf dem Dürrnberg. Vermutlich in seinem Auftrag sorgten die Grafen von Plain für die Zerstörung der Berchtesgadener Salinenanlagen. Um das Jahr 1194 wollten auch die Reichenhaller Bürger gewaltsam gegen die Berchtesgadener vorgehen, was Kaiser Heinrich VI. scharf verurteilte. In diesem Zusammenhang kritisierte er „den durch großen Reichtum aufgeblasenen Übermut“ der Reichenhaller Bürger. Gegen künftige Einfälle errichteten die Kanoniker aus Berchtesgaden an der Engstelle zwischen Untersberg und Lattengebirge einen Turm, den „Hallthurm“. Indem der Kaiser den Salzburger Erzbischof beauftragte, für die Berchtesgadener Propstei Wiedergutmachung zu erlangen und die Verursacher des Schadens zu bestrafen, erblickte der Erzbischof darin den willkommenen Freibrief, um rücksichtslos gegen das mittlerweile selbstbewusste Bürgertum der führenden Salinenstätte Reichenhall vorzugehen.
Sowohl die Propstei Berchtesgaden als auch die Abtei St. Peter hatten Anteile an der Reichenhaller Saline. Die Gruppe der Anteilsnehmer, damals bereits beherrscht von den Patriziern,  sah ein derartiges Ausscheren aus den Kartellzwängen nicht vor und belegte daher die Propstei mit einer Sonderbesteuerung, später auch mit der Einziehung des Vermögens. Der Salzburger Erzbischof Adalbert II. erblickte in der [[Salzbergwerk Berchtesgaden|Berchtesgadener Salzgewinnung]] eine Konkurrenz nicht so sehr der Reichenhaller Saline, wo er nach wie vor größter Anteilsnehmer war, als viel mehr seiner eigenen Ambitionen auf dem Dürrnberg. Vermutlich in seinem Auftrag sorgten die Grafen von Plain für die Zerstörung der Berchtesgadener Salinenanlagen. Um das Jahr 1194 wollten auch die Reichenhaller Bürger gewaltsam gegen die Berchtesgadener vorgehen, was Kaiser Heinrich VI. scharf verurteilte. In diesem Zusammenhang kritisierte er „den durch großen Reichtum aufgeblasenen Übermut“ der Reichenhaller Bürger. Gegen künftige Einfälle errichteten die Kanoniker aus Berchtesgaden an der Engstelle zwischen Untersberg und Lattengebirge einen Turm, den „Hallthurm“. Indem der Kaiser den Salzburger Erzbischof beauftragte, für die Berchtesgadener Propstei Wiedergutmachung zu erlangen und die Verursacher des Schadens zu bestrafen, erblickte der Erzbischof darin den willkommenen Freibrief, um rücksichtslos gegen das mittlerweile selbstbewusste Bürgertum der führenden Salinenstätte Reichenhall vorzugehen.
   
   
Im Jahre 1196 ließ der Salzburger Erzbischofs Adalbert II. die Stadt Reichenhall dem Erdboden gleichmachen; lediglich das Stift. St. Zeno blieb davon verschont. Diese Vernichtung, die sich durch schriftliche und archäologische Quellen nachweisen lässt, ist als die schwerste in der Geschichte der Stadt anzusehen. Noch zwei Jahrzehnte später überlegte man, die Stadt zu verlegen oder an selber Stelle wieder zu errichten. Der Salzburger Erzbischof, der auf dem Dürrnberg nun konkurrenzlos Salz erzeugen ließ, hatte an einem Wiederaufbau Reichenhalls und seiner Saline kein Interesse, wogegen der Bayernherzog darin die einzige Möglichkeit einer eigenen Salzerzeugungsstätte erblickte. Um sein Interesse am Fortbestand der Stadt zu unterstreichen, ließ er um das Jahr 1218 widerrechtlich die [[Burg Gruttenstein (Bad Reichenhall)|Burg Gruttenstein]] wiedererrichten.  
Im Jahre 1196 ließ der Salzburger Erzbischofs Adalbert II. die Stadt Reichenhall dem Erdboden gleichmachen; lediglich das Stift. St. Zeno blieb davon verschont. Diese Vernichtung, die sich durch schriftliche und archäologische Quellen nachweisen lässt, ist als die schwerste in der Geschichte der Stadt anzusehen. Noch zwei Jahrzehnte später überlegte man, die Stadt zu verlegen oder an selber Stelle wieder zu errichten. Der Salzburger Erzbischof, der auf dem Dürrnberg nun konkurrenzlos Salz erzeugen ließ, hatte an einem Wiederaufbau Reichenhalls und seiner Saline kein Interesse, wogegen der Bayernherzog darin die einzige Möglichkeit einer eigenen Salzerzeugungsstätte erblickte. Um sein Interesse am Fortbestand der Stadt zu unterstreichen, ließ er um das Jahr 1218 widerrechtlich die [[Burg Gruttenstein (Bad Reichenhall)|Burg Gruttenstein]] wiedererrichten.  


Der Vertrag von Nürnberg 1218, in dem sich der Herzog und der Erzbischof hinsichtlich Reichenhalls auf einen Vergleich einigten, führte dazu, dass die Stadt mit der Saline ab dem Jahre 1218 auf verkleinerter Fläche wieder aufgebaut wurde. Wegen der Zerstörung von 1196 und der lange anhaltenden Uneinigkeit über die Zukunft der Stadt konnte die  Saline über viele Jahre kein Salz erzeugen, weshalb die in der Nähe des Dürrnberg nach Reichenhaller Vorbild neu errichtete Saline Hallein (=kleines „Hall“; benannt nach [Reichen]Hall) nahtlos die Marktführerschaft übernahm. Vor allem der böhmische Markt wurde nun bis in das 16. Jahrhundert vom Halleiner Salz beherrscht. Auch durch die im Verlauf des 12. Jahrhunderts aufkommenden neuen Salzerzeugungsorte Berchtesgaden (Schellenberg), Hall in Tirol und Hallstatt musste Reichenhall einen empfindlichen Bedeutungsverlust hinnehmen. Der in diesem Zusammenhang häufig verwendete [[Ortsnamen mit Hall (Etymologie)|Name „Hall“]] für die neuen Salinenstädte leitete sich vom Vorbild Halls (= Reichenhalls) ab. Damit wird deutlich, dass Reichenhall im Hochmittelalter im Ostalpenraum sinnbildlich für den Salinenort stand.
Der Vertrag von Nürnberg 1218, in dem sich der Herzog und der Erzbischof hinsichtlich Reichenhalls auf einen Vergleich einigten, führte dazu, dass die Stadt mit der Saline ab dem Jahre 1218 auf verkleinerter Fläche wieder aufgebaut wurde. Wegen der Zerstörung von 1196 und der lange anhaltenden Uneinigkeit über die Zukunft der Stadt konnte die  Saline über viele Jahre kein Salz erzeugen, weshalb die in der Nähe des Dürrnberg nach Reichenhaller Vorbild neu errichtete Saline [[Hallein]] (=kleines „Hall“; benannt nach [Reichen]Hall) nahtlos die Marktführerschaft übernahm. Vor allem der böhmische Markt wurde nun bis in das 16. Jahrhundert vom Halleiner Salz beherrscht. Auch durch die im Verlauf des 12. Jahrhunderts aufkommenden neuen Salzerzeugungsorte Berchtesgaden (Schellenberg), Hall in Tirol und Hallstatt musste Reichenhall einen empfindlichen Bedeutungsverlust hinnehmen. Der in diesem Zusammenhang häufig verwendete [[Ortsnamen mit Hall (Etymologie)|Name „Hall“]] für die neuen Salinenstädte leitete sich vom Vorbild Halls (= Reichenhalls) ab. Damit wird deutlich, dass Reichenhall im Hochmittelalter im Ostalpenraum sinnbildlich für den Salinenort stand.
 


== Kampf um die Zugehörigkeit; Pfleggericht ==
== Kampf um die Zugehörigkeit; Pfleggericht ==


Nachdem der Vertrag von Nürnberg 1218 für den Herzog von Bayern sowie für den Erzbischof von Salzburg einen gleichrangigen Einfluss auf die Herrschaft über Reichenhall vorgesehen hatte, entbrannte in den Jahrzehnten darauf ein verbittert geführter Krieg um die Vorherrschaft über Reichenhall. Gleichzeitig entwickelte sich die Salinenstadt zu einem bedeutenden Zankapfel im Ringen Salzburgs um eine Lösung vom Mutterland Bayern und der Etablierung einer eigenen Landeshoheit, die um das Jahr 1342 erreicht war. Nach dem  Aussterben der Grafen von Peilstein im Mannesstamm 1218 erlangte der Bayernherzog Ludwig der Kelheimer die dortige [[Grafschaft Reichenhall]], das außerhalb der Hallgrafschaft gelegene Gebiet, das ursprünglich ein Salzburger Lehen gewesen war. Mittelpunkt der Grafschaft Reichenhall war die [[Burg Karlstein (Bad Reichenhall)|Burg Karlstein]], die nun ebenfalls in das Eigentum des Herzogs überging. Nachdem auch die Grafen von Plain 1260 im Mannesstamm erloschen waren, trat der Salzburger Erzbischof in deren Grafschaften das Erbe an. Die in der Grafschaft Reichenhall noch vorhandenen erzbischöflichen Burgen [[Burg Kirchberg (Bad Reichenhall)|Kirchberg]], Vager und Amerang wurden in einem Feldzug von herzoglichen Truppen 1262 zerstört. Die 1266 erfolgte Eroberung und Teilzerstörung Reichenhalls durch den mit dem Erzbischof verbündeten Bischof von Olmütz, Bruno von Schaunburg-Holstein, konnte den dauerhaften herzoglichen Einfluss auf Reichenhall jedoch nicht mehr verhindern.
Nachdem der Vertrag von Nürnberg 1218 für den Herzog von Bayern sowie für den Erzbischof von Salzburg einen gleichrangigen Einfluss auf die Herrschaft über Reichenhall vorgesehen hatte, entbrannte in den Jahrzehnten darauf ein verbittert geführter Krieg um die Vorherrschaft über Reichenhall. Gleichzeitig entwickelte sich die Salinenstadt zu einem bedeutenden Zankapfel im Ringen Salzburgs um eine Lösung vom Mutterland Bayern und der Etablierung einer eigenen Landeshoheit, die um das Jahr 1342 erreicht war. Nach dem  Aussterben der Grafen von Peilstein im Mannesstamm 1218 erlangte der Bayernherzog Ludwig der Kelheimer die dortige [[Grafschaft Reichenhall]], das außerhalb der Hallgrafschaft gelegene Gebiet, das ursprünglich ein Salzburger Lehen gewesen war. Mittelpunkt der [[Grafschaft Reichenhall]] war die [[Burg Karlstein (Bad Reichenhall)|Burg Karlstein]], die nun ebenfalls in das Eigentum des Herzogs überging. Nachdem auch die Grafen von Plain 1260 im Mannesstamm erloschen waren, trat der Salzburger Erzbischof in deren Grafschaften das Erbe an. Die in der Grafschaft Reichenhall noch vorhandenen erzbischöflichen Burgen [[Burg Kirchberg (Bad Reichenhall)|Kirchberg]], Vager und Amerang wurden in einem Feldzug von herzoglichen Truppen 1262 zerstört. Die 1266 erfolgte Eroberung und Teilzerstörung Reichenhalls durch den mit dem Erzbischof verbündeten Bischof von Olmütz, Bruno von Schaunburg-Holstein, konnte den dauerhaften herzoglichen Einfluss auf Reichenhall jedoch nicht mehr verhindern.
   
   
Gerichtliche Entscheidungen zwischen dem Herzog und dem Erzbischof um die künftige Zugehörigkeit Reichenhalls („Reichenhaller Frage“) wurden immer wieder verschoben und auf dem Rechtsweg letztlich nie getroffen. Zu Ende des 13. Jahrhunderts galt es als gesichert, dass Reichenhall eine bayerische Stadt bleiben und nicht der Herrschaft des Salzburger Erzbischofs unterstellt würde.
Gerichtliche Entscheidungen zwischen dem Herzog und dem Erzbischof um die künftige Zugehörigkeit Reichenhalls („Reichenhaller Frage“) wurden immer wieder verschoben und auf dem Rechtsweg letztlich nie getroffen. Zu Ende des 13. Jahrhunderts galt es als gesichert, dass Reichenhall eine bayerische Stadt bleiben und nicht der Herrschaft des Salzburger Erzbischofs unterstellt würde.


In den Jahren von 1275 (Zweiter Erhartinger Vertrag) bis 1342 formierten sich die [[Nasse Grenze (Saalach)|Landesgrenzen]] im Reichenhaller Raum. 1290 trat erstmals ein herzoglich bayerischer Pfleger in Reichenhall auf, wogegen ein erzbischöflich salzburgischer Pfleger auf der nun salzburgischen Plainburg 1317 urkundlich genannt ist. Das Pfleggericht Reichenhall erstreckte sich vom Steinpass im Westen über Reiteralpe und Lattengebirge bis zum Walserberg im Osten, verlief von dort in der Mitte der Saalach bis zum „Goldenen Zweig“ am Fuße des Fuderheubergs, über das Staufengebige und schloss anfänglich auch das Inzeller Becken ein. Später wurde Inzell dem bayerischen Pfleggericht Traunstein angegliedert. Im Süden grenzte das Pfleggericht Reichenhall an den geschlossenen Grundbesitz der Augustiner-Chorherren von Berchtesgaden, deren Herrschaftsbereich 1306 erstmals als „Land“ Erwähnung fand. Deutlich später, 1342, wurde auch das Erzstift Salzburg erstmals als Land genannt. Damit grenzte das Pfleggericht Reichenhall mit Berchtesgaden und Salzburg an zwei eigenständige Länder. Das Dreiländereck auf dem Lattengebirge trägt bis heute den Namen „Dreisesselberg“, da sich hier die Throne („Sessel“) von drei Landesfürsten fanden.
In den Jahren von 1275 (Zweiter Erhartinger Vertrag) bis 1342 formierten sich die [[Nasse Grenze (Saalach)|Landesgrenzen]] im Reichenhaller Raum. 1290 trat erstmals ein herzoglich bayerischer Pfleger in Reichenhall auf, wogegen ein erzbischöflich salzburgischer Pfleger auf der nun salzburgischen [[Plainburg]] 1317 urkundlich genannt ist. Das Pfleggericht Reichenhall erstreckte sich vom Steinpass im Westen über Reiteralpe und Lattengebirge bis zum Walserberg im Osten, verlief von dort in der Mitte der Saalach bis zum „Goldenen Zweig“ am Fuße des Fuderheubergs, über das Staufengebige und schloss anfänglich auch das Inzeller Becken ein. Später wurde Inzell dem bayerischen Pfleggericht Traunstein angegliedert. Im Süden grenzte das Pfleggericht Reichenhall an den geschlossenen Grundbesitz der Augustiner-Chorherren von Berchtesgaden, deren Herrschaftsbereich 1306 erstmals als „Land“ Erwähnung fand. Deutlich später, 1342, wurde auch das Erzstift Salzburg erstmals als Land genannt. Damit grenzte das Pfleggericht Reichenhall mit Berchtesgaden und Salzburg an zwei eigenständige Länder. Das Dreiländereck auf dem Lattengebirge trägt bis heute den Namen „Dreisesselberg“, da sich hier die Throne („Sessel“) von drei Landesfürsten fanden.


== Namengebung; Siegel und Wappen; Stadtrecht; Burgfrieden ==
== Namengebung; Siegel und Wappen; Stadtrecht; Burgfrieden ==
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Nachdem die im 12. / 13. Jahrhundert neu hinzu gekommenen Salzerzeugungsorte vielfach Namen mit dem Namensbestandteil „Hall“ erhielten, grenzte sich die bis dahin „Hall“ benannte Salinenstadt ab und wurde im Jahre 1323 erstmals als „Reychen Halle“ bezeichnet. Der Name bürgerte sich fortan fest ein.
Nachdem die im 12. / 13. Jahrhundert neu hinzu gekommenen Salzerzeugungsorte vielfach Namen mit dem Namensbestandteil „Hall“ erhielten, grenzte sich die bis dahin „Hall“ benannte Salinenstadt ab und wurde im Jahre 1323 erstmals als „Reychen Halle“ bezeichnet. Der Name bürgerte sich fortan fest ein.
   
   
Das erste überlieferte Stadtsiegel datiert von 1279 und zeigt ein mit der Siegesfahne schreitendes widersehendes und nimbiertes Gotteslamm. Der während des 13. und 14. Jahrhunderts deutlich zugenommene politische Einfluss der Herzöge von Niederbayern führte dazu, dass ab dem Jahre 1300 das Siegel und [[Wappen Bad Reichenhall|Wappen]] der Stadt Reichenhall dem Wappen der Herzöge von Niederbayern angepasst wurden und sowohl als heraldische Figur den Panther als auch die Rauten zeigten.
Das erste überlieferte Stadtsiegel datiert von 1279 und zeigt ein mit der Siegesfahne schreitendes widersehendes und nimbiertes Gotteslamm. Der während des 13. und 14. Jahrhunderts deutlich zugenommene politische Einfluss der Herzöge von Niederbayern führte dazu, dass ab dem Jahre 1300 das Siegel und [[Wappen Bad Reichenhall|Wappen]] der Stadt Reichenhall dem Wappen der Herzöge von [[Oberbayern|Niederbayern]] angepasst wurden und sowohl als heraldische Figur den Panther als auch die Rauten zeigten.
   
   
Ein spezielles Reichenhaller Recht, das „Ius Hallensium“, wird bereits im 12. Jahrhundert erwähnt. Erstmals wurde das Stadtrecht 1360 vom Herzog bestätigt. Aus dem Jahre 1440 haben sich elf „Freyhaiten“ der Stadt erhalten.
Ein spezielles Reichenhaller Recht, das „Ius Hallensium“, wird bereits im 12. Jahrhundert erwähnt. Erstmals wurde das Stadtrecht 1360 vom Herzog bestätigt. Aus dem Jahre 1440 haben sich elf „Freyhaiten“ der Stadt erhalten.
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Nach Errichtung einer Bahnlinie von Freilassing nach Bad Reichenhall 1866 konnten Kurgäste das Heilbad deutlich schneller und bequemer erreichen. Trotzdem führte die Weltwirtschaftskrise 1873 zu einem rund 12 Jahre anhaltenden Rückgang der Gästezahlen. Nach Überwindung der Krise verzeichnete das Bad fast jährlich neue Übernachtungsrekorde, einhergehend mit enormen Investitionen in die Kurinfrastruktur. Mit Schreiben vom 7. Juni 1890 gab der bayerische Prinzregent Luitpold dem Ansuchen der Gemeindebevollmächtigten nach und gestattete der Stadt den Zusatz „Bad“ im Ortsnamen führen zu dürfen. 1899 wurde Bad Reichenhall in den Reigen der königlichen Bäder aufgenommen.
Nach Errichtung einer Bahnlinie von Freilassing nach Bad Reichenhall 1866 konnten Kurgäste das Heilbad deutlich schneller und bequemer erreichen. Trotzdem führte die Weltwirtschaftskrise 1873 zu einem rund 12 Jahre anhaltenden Rückgang der Gästezahlen. Nach Überwindung der Krise verzeichnete das Bad fast jährlich neue Übernachtungsrekorde, einhergehend mit enormen Investitionen in die Kurinfrastruktur. Mit Schreiben vom 7. Juni 1890 gab der bayerische Prinzregent Luitpold dem Ansuchen der Gemeindebevollmächtigten nach und gestattete der Stadt den Zusatz „Bad“ im Ortsnamen führen zu dürfen. 1899 wurde Bad Reichenhall in den Reigen der königlichen Bäder aufgenommen.
   
   
Die staatliche Trägerschaft ermöglichte die Errichtung des [[Königliches Kurhaus Bad Reichenhall|Kurhauses]] durch Max Littmann (1899/1900), des Musikpavillons durch Eugen Drollinger (1905), der Neubau des [[Gradierwerk Bad Reichenhall|Gradierhauses]] ebenfalls durch Drollinger (1909/10) sowie der [[Wandelhalle Bad Reichenhall|Trink- und Wandelhalle]] wiederum durch Drollinger (1912). In den Jahren 1909 bis 1911 wurde Achselmannstein, das fortan als Axelmannstein firmierte, im Stil der italienischen Belle Époque zum Grandhôtel ausgebaut.
Die staatliche Trägerschaft ermöglichte die Errichtung des [[Königliches Kurhaus Bad Reichenhall|Kurhauses]] durch Max Littmann (1899/1900), des Musikpavillons durch Eugen Drollinger (1905), der Neubau des [[Gradierhaus Bad Reichenhall|Gradierhauses]] ebenfalls durch Drollinger (1909/10) sowie der [[Wandelhalle Bad Reichenhall|Trink- und Wandelhalle]] wiederum durch Drollinger (1912). In den Jahren 1909 bis 1911 wurde Achselmannstein, das fortan als Axelmannstein firmierte, im Stil der italienischen Belle Époque zum Grandhôtel ausgebaut.


Am 1. Januar 1906 kam es zur Vereinigung der Landgemeinde St. Zeno mit der Stadtgemeinde Bad Reichenhall, nachdem sich in St. Zeno bereits seit den 1870er Jahren eine Villenkolonie entwickelt hatte und dort zahlreiche Beherbergungsbetriebe bestanden.  
Am 1. Januar 1906 kam es zur Vereinigung der Landgemeinde St. Zeno mit der Stadtgemeinde Bad Reichenhall, nachdem sich in St. Zeno bereits seit den 1870er Jahren eine Villenkolonie entwickelt hatte und dort zahlreiche Beherbergungsbetriebe bestanden.  
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== Investitionen in der Zeit der Weimarer Republik; Radikalisierung ==
== Investitionen in der Zeit der Weimarer Republik; Radikalisierung ==


In Folge des Weltkrieges wurde der Adel entmachtet, in zahlreichen Ländern kam es zu Umstürzen und neuen Staatssystemen. Das Ausbleiben der Kurgäste führte in Bad Reichenhall zu einer Welle von Schließungen großer Beherbergungsbetriebe. In das entstandene Gästevakuum drängte schon bald der Mittelstand und das Kleinbürgertum, die schon 1921 die Gästezahlen der Vorkriegszeit egalisierten.
In Folge des Weltkrieges wurde der Adel entmachtet, in zahlreichen Ländern kam es zu Umstürzen und [[Arbeiterrat und Soldatenrat nach dem Ersten Weltkrieg in Bad Reichenhall|neuen Staatssystemen]]. Das Ausbleiben der Kurgäste führte in Bad Reichenhall zu einer Welle von Schließungen großer Beherbergungsbetriebe. In das entstandene Gästevakuum drängte schon bald der Mittelstand und das Kleinbürgertum, die schon 1921 die Gästezahlen der Vorkriegszeit egalisierten.
   
   
Um das Bad für ein mondänes Publikum erneut attraktiv zu machen, errichtete man 1925 beim Gasthof Mayerhof im Ortsteil St. Zeno einen Linienflughafen, der erst der dritte in ganz Bayern war. Einmal täglich legte ein Linienflugzeug die Strecke von München-Oberwiesenfeld nach Bad Reichenhall in 60 Minuten zurück. 1927/28 folgte der Bau eines sowohl in staatlicher als auch städtischer Trägerschaft befindlichen [[Kurmittelhaus (Bad Reichenhall)|Kurmittelhauses]], in dem sämtliche Kurmittel der Stadt vereinigt waren. Als zweite Seilschwebebahn in Bayern entstand 1927/28 nach Plänen von Louis Zuegg (System Bleichert) die [[Predigtstuhlbahn|Bahn auf den Predigtstuhl]], die als damals innovativste und vollendetste Seilschwebebahn galt. Sie ist bis heute die älteste im Original erhaltene und ganzjährig verkehrende Großkabinen-Seilschwebebahn der Welt. Ein entscheidendes Motiv für den Bau der Bahn hatte die Aussicht auf attraktive Wintersportmöglichkeiten auf dem Gelände des Lattengebirges geliefert, nachdem bereits 1923 in Bayerisch Gmain zwei Sprungschanzen errichtet worden waren.
Um das Bad für ein mondänes Publikum erneut attraktiv zu machen, errichtete man 1925 beim Gasthof Mayerhof im Ortsteil St. Zeno einen Linienflughafen, der erst der dritte in ganz Bayern war. Einmal täglich legte ein Linienflugzeug die Strecke von München-Oberwiesenfeld nach Bad Reichenhall in 60 Minuten zurück. 1927/28 folgte der Bau eines sowohl in staatlicher als auch städtischer Trägerschaft befindlichen [[Kurmittelhaus (Bad Reichenhall)|Kurmittelhauses]], in dem sämtliche Kurmittel der Stadt vereinigt waren. Als zweite Seilschwebebahn in Bayern entstand 1927/28 nach Plänen von Louis Zuegg (System Bleichert) die [[Predigtstuhlbahn|Bahn auf den Predigtstuhl]], die als damals innovativste und vollendetste Seilschwebebahn galt. Sie ist bis heute die älteste im Original erhaltene und ganzjährig verkehrende Großkabinen-Seilschwebebahn der Welt. Ein entscheidendes Motiv für den Bau der Bahn hatte die Aussicht auf attraktive Wintersportmöglichkeiten auf dem Gelände des Lattengebirges geliefert, nachdem bereits 1923 in Bayerisch Gmain zwei Sprungschanzen errichtet worden waren.
   
   
Mit der Schaffung der [[Salzherstellung in Bad Reichenhall (Geschichte)|Neuen Saline]] 1925/26, die auf Grund der dort eingesetzten Thermokompressions-Verdampferanlagen zu den modernsten Einrichtungen dieser Art weltweit zählte, wurde der Salzproduktionsstandort Bad Reichenhall auf lange Sicht gesichert. Nach der Auflassung der Salinen Berchtesgaden 1928 und Rosenheim 1958 ist die Saline in Bad Reichenhall heute die einzige in Bayern. (Die Traunsteiner Saline war bereits 1912 stillgelegt worden.) Zu den herausragenden kommunalen Investitionen während der Zeit der Weimarer Republik zählte das vom „Krankenhausarchitekten“ Richard Schachner entworfene und in den Jahren von 1928 bis 1930 errichtete Städtische Krankenhaus.
Mit der Schaffung der [[Salzherstellung in Bad Reichenhall (Geschichte)#Neue Saline|Neuen Saline]] 1925/26, die auf Grund der dort eingesetzten Thermokompressions-Verdampferanlagen zu den modernsten Einrichtungen dieser Art weltweit zählte, wurde der Salzproduktionsstandort Bad Reichenhall auf lange Sicht gesichert. Nach der Auflassung der Salinen Berchtesgaden 1928 und Rosenheim 1958 ist die Saline in Bad Reichenhall heute die einzige in Bayern. (Die Traunsteiner Saline war bereits 1912 stillgelegt worden.) Zu den herausragenden kommunalen Investitionen während der Zeit der Weimarer Republik zählte das vom „Krankenhausarchitekten“ Richard Schachner entworfene und in den Jahren von 1928 bis 1930 errichtete Städtische Krankenhaus.


Die 1920er Jahre hielten auch in Bad Reichenhall eine große Bandbreite dynamischer gesellschaftlicher Entwicklungen aber auch einer politischen Radikalisierung bereit. Hans Linder schuf auf dem Schroffen eine Ausflugsstätte, die als eine Kunstwelt aus Folklore und modernem Unterhaltungsangebot schon bald Kultstatus bei den Freunden volkstümlicher Musik genoss. 1925 übernahm die Stadt die Trägerschaft einer bis dahin privaten Mittelschule, deren Ursprünge auf das Jahr 1914 zurückgehen. Das heutige Karlsgymnasium geht auf diese Schule zurück. 1929 erlangte die Stadt die Kreisunmittelbarkeit.
Die 1920er Jahre hielten auch in Bad Reichenhall eine große Bandbreite dynamischer gesellschaftlicher Entwicklungen aber auch einer politischen Radikalisierung bereit. Hans Linder schuf auf dem Schroffen eine Ausflugsstätte, die als eine Kunstwelt aus Folklore und modernem Unterhaltungsangebot schon bald Kultstatus bei den Freunden volkstümlicher Musik genoss. 1925 übernahm die Stadt die Trägerschaft einer bis dahin privaten Mittelschule, deren Ursprünge auf das Jahr 1914 zurückgehen. Das heutige Karlsgymnasium geht auf diese Schule zurück. 1929 erlangte die Stadt die Kreisunmittelbarkeit.


Bereits 1920 versuchte man, in Bad Reichenhall den „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund“, der die Weimarer Republik kategorisch ablehnte und sich antisemitisch gebärdete, dauerhaft zu etablieren, was allerdings nicht gelang. 1921 erfolgte die förmliche Gründung einer Ortsgruppe der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“, die sich wenig später wieder auflöste und 1923 wiederbegründet wurde. Nach dem so genannten Hitlerputsch am 9. November 1923 löste sich die Ortsgruppe erneut auf und spielte bis zur abermaligen Wiedergründung 1929 durch Josef Fallbacher keine Rolle auf kommunaler Ebene. Erst danach setzte eine ideologische Radikalisierung ein, was 1931 im Hotel „Deutscher Kaiser“ zu einer spektakulären Saalschlacht  zwischen Nationalsozialisten und Leuten des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“ führte.    
Bereits 1920 versuchte man, in Bad Reichenhall den „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund“, der die Weimarer Republik kategorisch ablehnte und sich antisemitisch gebärdete, dauerhaft zu etablieren, was allerdings nicht gelang. 1921 erfolgte die förmliche Gründung einer Ortsgruppe der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“, die sich wenig später wieder auflöste und 1923 wiederbegründet wurde. Nach dem so genannten Hitlerputsch am 9. November 1923 löste sich die Ortsgruppe erneut auf und spielte bis zur abermaligen Wiedergründung 1929 durch Josef Fallbacher keine Rolle auf kommunaler Ebene. Erst danach setzte eine ideologische Radikalisierung ein, was 1931 im Hotel „Deutscher Kaiser“ zu einer spektakulären Saalschlacht  zwischen Nationalsozialisten und Leuten des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“ führte.
 


== Nationalsozialismus; Kriegszeit ==
== Nationalsozialismus; Kriegszeit ==
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== Literatur ==
== Literatur ==


Johannes Lang: Geschichte von Bad Reichenhall, 2009
Johannes Lang: Geschichte von Bad Reichenhall, 2009 [https://heimatkundeverein-reichenhall.de/publikationen/weitere-publikationen.html]


== Links ==
== Links ==
Stadtansicht um 1790 [https://www.bavarikon.de/object/bav:HVO-OBJ-0000000HVBSB0826?lang=de]
Stadtführungen [https://www.bad-reichenhall.de/kultur-veranstaltungen/stadtfuehrungen]
   
   
Historischer Stadtrundgang http://www.bad-reichenhall.com/medien/historstadtrundgang-deutsch-2013.pdf
Historischer Stadtrundgang  
[https://www.bad-reichenhall.de/wandern/soleleitungsweg/historischer-stadtrundgang-bad-reichenhall]


Stadt Bad Reichenhall  
Stadt Bad Reichenhall  
http://www.stadt-bad-reichenhall.de/de/home/
[http://www.stadt-bad-reichenhall.de/de/home/]


Webcam Reichenhaller Haus am Hochstaufen
[http://www.foto-webcam.eu/webcam/hochstaufen/]


'''Bearbeitung:''' Johannes Lang
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