Bavaria (Allegorie)

Allegorien werden seit der griechischen und römischen Antike zur Darstellung von Ideen, Vorstellungen und Begriffen (z.B. „Frieden“, „Jahreszeiten“), bedeutenden Städten, Ländern und Völkern verwendet. Meist treten sie als Personen mit bestimmten Attributen auf. So findet sich etwa die Germania als Sinnbild für die Völker im germanischen Raum bereits auf römischen Münzen. Seit dem Hochmittelalter hat man die Personifikation Germania als Allegorie für Deutschland verwendet. Beispiele dafür finden sich im Evangeliar Kaiser Ottos III. (†1002), wo Germania zusammen mit Roma, Gallia und Sclavinia (Slawen) dargestellt ist oder zusammen mit Roma und Gallia im Perikopenbuch Kaiser Heinrichs II. (†1024).

Baioaria auf einer Goldmünze Albrechts IV., 1508
Die Tellus Bavarica auf dem Pavillon im Münchener Hofgarten
Die Tellus Bavarica auf dem Pavillon im Münchener Hofgarten, 17, Jh.
Bavaria in Michael Wenings Landesbeschreibung 1701-1726
Huldigung des hl. Rupert durch die Bavaria, Deckengemälde in St. Rupert, Regensburg
Rupert und Bavaria huldigen der Gottesmutter, Figurengruppe über dem Portal der Gnadenkapelle in Altötting, 18. Jh.
Marianne Kürzinger: Gallia schützt Bavaria, 1805


Mit dem Zeitalter der Renaissance (15./16. Jh.) als man sich verstärkt mit der Kunst der Antike beschäftigte, begann eine Blütezeit der allegorischen Darstellungen. Im Zuge dessen tauchen die ersten Abbildungen einer Allegorie Bayerns auf. Die Bavaria, auch Baioaria, Boiaria  (lateinische Bezeichnungen für Bayern) erscheint als personifizierte Allegorie für das Staatsgebilde Bayern in verschiedenen Formen und Ausprägungen. Eine 1508 geprägte Goldmünze, die Herzog Albrecht IV. als Wiedervereiniger von Ober- und Niederbayern feiert, zeigt auf einer Seite mit der „Baioaria“, eine der frühesten Darstellungen: Eine nur mit einem Lendentuch bekleidete junge Frau hält einen ovalen Rautenschild, der auf einem im Renaissancestil gestalteten Postament steht.


Die Bavaria auf Münzen des 16. Jahrhunderts

Ludwig X., 1535-1540,[1]  

Ludwig X., 1540,[2]


Eine Ausformung der Bavaria im 17. Jahrhundert ist die so genannte „Tellus Bavarica“, eine Allegorie der „Bayerischen Erde“. Eine Bronzestatue im Lendentuch, die um 1590 geschaffen wurde, ließ Kurfürst Maximilian I. zur Tellus Bavarica umarbeiten. Als Symbol für Maximilians Kurfürstenwürde (seit 1623) gab man der Skulptur einen Reichsapfel in die Hand. Hinzu kamen Symbole, welche die Reichtümer Bayerns darstellen sollen: Die Figur steht mit einem Fuß auf einem Salzfass und hält Getreideähren in der Hand.  Zu ihren Füßen stellt eine liegende Amphore, aus der Wasser quillt, den Wasserreichtum und damit die Schifffahrtswege Bayerns dar. Über dem rechten Unterarm liegt ein Hirschfell samt Kopf und Geweih als Symbol für den Reichtum der Natur. Die Figur ist umgeben von vier Putti, die ein Füllhorn, ein Kirchenmodell, den Kurfürstenhut und einen Eichenzweig präsentieren.  Diese bekannteste Darstellung der Tellus Bavarica steht als Kopie auf dem Dach des Pavillons im Münchener Hofgarten; das Original befindet sich in der Residenz.

Im 18. Jahrhundert erscheint die Bavaria im zeitgenössischen Kostüm als Fürstin mit Herzogshut oder Mauerkrone, Hermelinpelz um die Schultern und häufig mit weiß-blauem Rautenmuster auf dem Gewand. Man sieht sie als selbstbewusste, thronende Regentin vorwiegend in Schlössern und im höfischen Bereich. So etwa in der Ahnengalerie in der Münchener Residenz oberhalb des Stammbaums der Wittelsbacher (1729 von Joseph Effner und Francois Cuvillies gestaltet). Auch der Kupferstecher Michael Wening hat sie in dieser Aufmachung auf dem Frontispiz aller vier Bände seiner „Historico-Topographica Descriptio“ (Bayerische Landesbeschreibung) abgebildet. Im sakralen Umfeld gibt sich die Bavaria devot: In der Kirche St. Rupert in Regensburg schildert ein Deckengemälde des Regensburger Malers Otto Gebhard die „Huldigung des heiligen Rupert durch die Bavaria“. Die Allegorie Bayerns fällt vor Rupertus auf die Knie und dankt ihm für die Christianisierung des Landes. Die heidnischen Götter sind gestürzt; im Hintergrund ist die Einsetzung des Altöttinger Gnadenbilds zu sehen, das nun deren Stelle einnimmt.

Die Bavaria ist auch an der Gnadenkapelle in Altötting zu sehen: Die Figurengruppe über dem Portal schuf der Burghauser Bildhauer Johann Georg Lindt (1734–1795): Der heilige Rupert und die Bavaria huldigen der Gottesmutter. Das Altöttinger Gnadenbild steht auf einem Sockel, auf dem das Wappen des Kurfürstentums Bayern prangt. Darunter auf einem Bogensegment die Symbole der Planeten Venus, Sonne und Mars. Da die Gnadenkapelle in der Vorstellung der Altvordern auf einem den „Sieben Planeten“ geweihten heidnischen Tempel errichtet wurde, sind die Symbole ein Hinweis auf die Planetengottheiten, die durch das Christentum gestürzt wurden. Die Planeten verweisen auch darauf, dass Maria in ihrer Bedeutung weit über den Gestirnen steht. Der heilige Rupert hat einer Legende nach das Gnadenbild nach Altötting gebracht und damit die zuvor an diesem Ort verehrten heidnischen Götter gestürzt. Rupert weist die Bavaria auf das Gnadenbild hin: „Siehe deine Mutter!“. Die Bavaria im Hermelinpelz und mit angedeuteten Rauten auf dem Gewand, hat aus Ehrfurcht vor der Gottesmutter den Herzogshut abgenommen und spricht zu Maria: „Unter deinem Schutz.“ Die „Patrona Bavariae“ (Maria als Schutzheilige Bayerns) erscheint hier in Gestalt des Altöttinger Gnadenbildes.

Völlig anders tritt die Allegorie Bayerns in Gemälden der Münchener Malerin Marianne Kürzinger (1770-1809) auf: Ein zartes Mädchen im leichten Empirekleid mit weiß-blauem Rautenmuster und einem Löwen zur Seite, empfängt von einem einschwebenden Engel dankbar ein Medaillon mit den Portraits Max IV. Joseph und seiner Gemahlin Caroline. (Allegorie auf den Einzug von Maximilian IV. Joseph in Bayern, 1799). Dieselbe Bavaria erscheint auch in einem um 1805 geschaffenen Werk Kürzingers, das die politische Situation Bayerns als Verbündeter Napoleons wiedergibt. Bavaria wirft sich in die Arme der mit Helm, Harnisch und Schild bewehrten Gallia. Auf deren Schild prangt ein Großes „N“ für Napoleon Bonaparte. Im Hintergrund wendet sich der bayerische Löwe gegen nahende Angreifer.

Wesentlich selbstbewusster zeigt sich eine 1829 von Wilhelm von Kaulbach in Zusammenarbeit mit weiteren Künstlern geschaffene Bavaria auf einem Fresko in den Münchener Hofgartenarkaden. Diese Allegorie trägt einen Brustharnisch und eine Mauerkrone, mit der rechten Hand hält sie einen nach unten gerichteten Speer, in der Linken einen Schild mit dem Motto König Ludwigs I. „Gerecht und beharrlich“. Zusammen mit dem bayerischen Löwen sitzt sie vor einer idyllischen Landschaft.

Ebenfalls auf Ludwig I. geht die bekannteste Darstellung der Landesallegorie zurück: Der König veranstaltete 1833 einen Architekten-Wettbewerb zum Bau eines bayerischen Nationaldenkmals auf der Anhöhe über der Theresienwiese, wo Büsten der für Bayern bedeutenden Persönlichkeiten aufgestellt werden sollten. Im Jahr darauf erhielt der Architekt Leo von Klenze den Auftrag für die so genannte Ruhmeshalle. Eine 18 Meter hohe Statue der Bavaria bildet den Mittelpunkt der Anlage und war - passend zur Ruhmeshalle - in antikisierendem Stil geplant. Als Vorbild diente von Klenze eine Skulptur der „Athena Promachos“ auf der Akropolis in Athen. Am 28. Mai 1837 beauftragte der König von Klenze, den Bildhauer Ludwig Schwanthaler, den Erzgießer Johann Baptist Stiglmaier und dessen Neffen Ferdinand von Miller mit der Herstellung der Statue.

Schwanthaler jedoch war ein Anhänger der romantischen Kunstauffassung und vertrat die Ansicht, dass die Bavaria sich durch einen „teutschen“ und „germanischen“ Charakter auszeichnen müsse. Zu diesem Zweck legte er der Statue zusätzlich ein Bärenfell über das lange Kleid, stellte ihr den bayerischen Löwen aus dem Wappen des Königreichs zur Seite und gab ihr ein Schwert in die rechte Hand. Den Lorbeerkranz in ihrer Linken, mit dem die Bavaria die in der Ruhmeshalle geehrten Persönlichkeiten auszeichnet, ersetzte Schwanthaler durch einen Eichenkranz („deutscher Lorbeer“). Die Verbindung verschiedener Stile, wie die Aufstellung einer „germanischen“ Allegorie Bayerns vor einer als griechischer Tempel gestalteten Ruhmeshalle, findet sich auch bei anderen Projekten Ludwigs I.: In Bad Reichenhall stellte man dem Verwaltungsgebäude („Beamtenstock“), das stilistisch auf Florentiner Palastbauten der Renaissancezeit  verweist, die neuromanischen Produktionsgebäude der Alten Saline gegenüber.

Im Jahr 1850 konnte neben der kolossalen Bavaria über der Theresienwiese auch die Quadriga auf dem Siegestor in der Münchener Ludwigstraße vollendet werden. Dort lenkt die Bavaria einen Streitwagen, der von vier Löwen gezogen wird. Die Figurengruppe wurde von den Bildhauern Friedrich Brucker, Johann Halbig und Johann Martin von Wagner geschaffen.

Eine der jüngsten Darstellungen der Bavaria findet sich auf dem Wittelsbacherbrunnen am Bad Reichenhaller Rathausplatz. Der Brunnen sollte „ein Denkmal der unwandelbaren Dankbarkeit der Reichenhaller Bürgerschaft gegenüber dem uralten, angestammten Haus der Wittelsbacher“ darstellen. Am 10. September 1905 wurde er im Beisein des Prinzen Ludwig Ferdinand enthüllt. Der Entwurf von dem Münchener Bildhauer Karl Killer (1873-1948) wurde in Ochsenfurter Muschelkalk ausgeführt. Über dem Becken stehen vier Löwen auf Postamenten mit einzelnen Wappenschilden aus dem Wappen des Königreichs Bayern: Grafschaft Veldenz (blauer Löwe), Pfalz (Pfälzer Löwe), Franken (Fränkischer Rechen) und Schwaben (Wappen der Markgrafschaft Burgau). Über den Löwen stellen acht Relieffiguren verschiedene Stände dar: Kunst und Wissenschaft (mit Pallas Athene und Buch), Bauer und Forstmann (mit Spaten und Gewehr), zwei Handwerker (mit Hammer und Schrein), sowie Arbeiter und Handelsmann (mit Rad und Schiffsmodell). Zu Füßen der Relieffiguren ist die Widmung eingemeißelt: „Dem glorreichen Hause Wittelsbach – die treue Stadt Bad Reichenhall“.

Ursprünglich sah der Entwurf Killers einen Reichsherold (Wappenträger) als oberen Abschluss der zentralen Säule vor. Dieser wurde jedoch vom Magistrat abgelehnt. Der Brunnen wird stattdessen bekrönt von einer nymphenhaften mit einem Lendentuch bekleideten Bavaria, die ein Rautenwappen präsentiert, das auf einem Baumstumpf steht. Auf dem Kopf trägt die 180 Zentimeter hohe Figur goldenes Eichenlaub und in der linken Hand ein goldenes Szepter, dessen oberes Ende als Schwurhand gestaltet ist. Mit dieser Darstellung kehrte man gewissermaßen zurück zu den Wurzeln: Die Figur entspricht in etwa der „Baioaria“ auf der oben erwähnten Münze von 1508, welche als Vorbild für die Reichenhaller Bavaria gedient haben könnte.


Die Bavaria auf Münzen des 19. u. 20. Jahrhunderts

Hochzeit Maximilian II. u. Marie v. Preußen, 1842,[3]

Prinzregent Luitpold, 1908,[4] 


Literatur

Robert Bauer: Bayerische Wallfahrt Altötting, Geschichte - Kunst – Volksbrauch, Regensburg 1998

Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen: Hofgarten München, www. Schloesser.bayern.de

Haus der Bayerischen Geschichte: Königreich Bayern 1806-1918, Objekte, in: hdbg.de

Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.): Salz Macht Geschichte, Katalog Bayerische Landesausstellung 1995

Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.): Niederbayerns Reiche Herzöge, Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur 38, Augsburg 2009

Fritz Hofmann: Wittelsbacherbrunnen feiert 100. Geburtstag, Heimatblätter 9/2005

Johannes Lang: Geschichte von Bad Reichenhall, Neustadt/Aisch 2009

Paul Ernst Rattelmüller: Die Bavaria. Geschichte eines Symbols, München 1977

Hans Schlemmer: St. Rupert, Regensburg, Kleiner Kunstführer, München 1991

Staatliche Münzsammlung München, Objekte, www.bavarikon.de

Thomas Weidner: Das Siegestor und seine Fragmente. Mit Beiträgen von Richard Bauer und Hans Senninger, München 1996

Michael Wening: Historico-Topographica Descriptio, 1701-1726

Wikipedia, Artikel Bavaria, abgerufen 26.08.2021

Bearbeitung: Andreas Hirsch