Bayerisch Gmain

Aus Bad Reichenhall Wiki
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Die bayerische Gmain auf einer Karte des Landgerichts Reichenhall um 1670
Hotel "Schönere Aussicht" am Hessing um 1910
Zementwerk Leopoldstal um 1900
Hotel am Forst mit Lattengebirge. Federzeichnung von Lothar Korvin um 1930
Grenzübergang Bayerisch Gmain-Großgmain, Anfang 1950er Jahre

„Auf der Gmain“ ist eine jahrhundertelang gebrauchte Bezeichnung für den Siedlungsraum zwischen Untersberg und Lattengebirge, Hallthurm und Kirchholz. Auch nach der Entstehung einer Landesgrenze an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert wurde der Begriff weiterhin benutzt, ehe sich seit Beginn des 18. Jahrhunderts in den schriftlichen Quellen zusehends die Bezeichnungen „große Gmain“ (für Großgmain) und „bayerische Gmain“ (für Bayerisch Gmain) durchsetzten. Im Zuge des Aufstiegs Reichenhalls zum Heilbad ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden in dem zuvor ausschließlich bäuerlich geprägten Bayerisch Gmain zahlreiche Villen, Hotels und Sanatorien. Heute bildet der Kurtourismus ein wichtiges wirtschaftliches Standbein.

Aus der Urnenfelderzeit datieren die ersten menschlichen Siedlungsreste auf Bayerisch Gmainer Boden: Man entdeckte 1886 beim so genannten Hundsdorferlehen insgesamt 18 Gräber aus dem 9. Jh. v. Chr. mit entsprechenden Grabbeigaben. Aus den nachfolgenden prähistorischen Epochen sind lediglich Lesefunde, nicht aber Siedlungsfunde bekannt. Mit dem Einsetzen der Schriftlichkeit im frühen Mittelalter findet der Siedlungsraum als „Mona“, „Muen“ bzw. „Muon“ in den Salzburger Güterverzeichnissen des ausgehenden 8. Jahrhunderts Erwähung. Gemeinsam mit dem Bereich des heutigen Großgmain wurde „Mona“ bis weit in das 18. Jahrhundert herauf als eine topographisch und siedlungsgeographisch zusammengehörige Einheit zwischen Untersberg und Lattengebirge, Hallthurm und Kirchholz, Walserberg und Streitbichl betrachtet. Der vermutlich vorrömische Name „Mona“, der möglicherweise als Pendant zur westlich davon gelegenen Anhöhe von Nonn – Ersterwähnung: „Nona“ – soviel wie „hier“ und „dort“ bzw. „hüben“ und „drüben“ bedeutete, wurde im Verlaufe des Spätmittelalters über „Mùn“ zu „Gmain“ verschliffen, wobei die Bezeichnung „Auf der Gmain“ üblich wurde.

Im Hochmittelalter lag der größte Teil der heutigen Bayerisch Gmainer Gemeindefläche im Gebiet des Oberen Salzburggaus, der ab dem beginnenden 12. Jahrhundert von den Grafen von Plain verwaltet wurde. Herrschaftsmittelpunkt war die auf dem heutigen Gemeindegebiet von Großgmain errichtete Plainburg; das seelsorgliche Zentrum bildete die Großgmainer Marienkirche, die als Filialkirche des Augustiner-Chorherrenstifts St. Zeno durch einen Chorherren täglich vom Kloster aus betreut wurde und im Verlaufe des 15. Jahrhunderts zu einer überregional bedeutsamen Wallfahrtskirche avancierte. Nach dem Aussterben der Grafen von Plain im Mannesstamm und der weitgehenden Übernahme der Plain’schen Herrschaft durch den Salzburger Erzbischof war das Gebiet des heutigen Bayerisch Gmain in der Zeit von 1260 bis 1295 zunächst strittig zwischen dem Erzbischof, dem Herzog von Bayern sowie dem Grafen von Görz-Tirol. Erst nachdem letzterer seinen erbrechtlichen Anspruch auf die Plainburg wie auch die umgebenden Gebiete aufgegeben hatte, kristallisierte sich der Weißbach als Grenze der künftigen Territorien des Herzogs von Bayern wie auch des Salzburger Metropoliten heraus. Fortan gehörte das Gebiet der heutigen Gemeinde Bayerisch Gmain als Obmannschaft Gmain zum bayerischen Pfleggericht Reichenhall, pfarrlich aber zur salzburgischen Marienkirche auf der Gmain. Mit dem Schloss Oberhausen existierte innerhalb der Obmannschaft der einzige Adelssitz.

Während die bayerische Gmain fast zur Gänze aus Bauerngehöften bestand, waren Gewerbetreibende zunächst überwiegend auf der salzburgischen Seite der Gmain sesshaft. Die Siedlungsfläche der bayerischen Gmain war aufgeteilt in das westliche „Höfen“ sowie das östliche „Gmain“. Grundherrlich war die Mehrheit der Bauerngehöfte dem Stift St. Zeno unterworfen; die zweitgrößte Grundherrschaft bildete der Salzburger Erzbischof (sog. Hofurbar). Nachdem in Folge der Napoleonischen Kriege Salzburg 1810 an Bayern gelangt und die gesamte Gmain damit bayerisch geworden war, erfolgte 1811 eine kurzzeitige politische Vereinigung der Gmain, die bis 1816, bis zum abermaligen Übergang Salzburgs an Österreich, andauerte. Nach dem Erlass des Gemeindeedikts 1808 und der ersten Gemeindeordnung 1818 galt die bayerische Gmain als Ruralgemeinde, die dem Bezirksamt Berchtesgaden unterstellt war. 1816 erfolgte die pfarrliche Trennung vom Großgmainer Gotteshaus und die kirchliche Zuweisung an die 1807 geschaffene Pfarrei St. Zeno, ehe die Gemeinde 1957 mit der Errichtung des Gotteshauses St. Nikolaus von der Flüe ein eigenes Kirchengebäude erhielt und 1959 eine selbstständige Pfarrei entstand.

Im Rahmen eines Gebietstausches erfolgte 1851 die Abtretung des so genannten „Hallthurm-“ oder „Rotfenspitzes“, eines bis dahin österreichischen Gebietsstreifens am östlichen Lattengebirge, an Bayern. Wirtschaftlich profitierte Gmain seit dem Jahre 1846 (Eröffnung des Axelmannstein) von dem sich dynamisch entwickelnden Kurtourismus in Reichenhall. Während Gmain zunächst nur ein beliebtes Ziel von Spaziergängen darstellte, errichtete man 1858 ein erstes Villengebäude, dem zahlreiche weitere folgten. Ab dem Jahre 1865 entstanden Cafés, Gasthöfe und Beherbergungsbetriebe, so dass die Gemeinde vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine starke touristische Prägung erhielt, die sich auf das Siedlungsbild auswirkte. Als ehrgeizige Hotelprojekte sind das „Hotel am Forst“ (ab 1893/94) sowie Friedrich von Hessings Kurheim „Zur Schönen Aussicht“, zu dem 1909 von Bad Reichenhall aus eine Drahtseilbahn hinaufführte, zu nennen. Gmain profitierte maßgeblich von der 1888 von Bad Reichenhall nach Berchtesgaden verlängerten Bahnlinie, da der Ort zunächst eine Eisenbahn-Haltestelle, 1908 aber einen regelrechten Bahnhof erhielt. Als größerer Gewerbebetrieb etablierte sich ab den 1860er Jahren im so genannten Leopoldstal eine Zementfabrik, die vorerst auf der österreichischen Seite des Weißbaches errichtet worden war, sich ab 1896 vor allem aber auf die bayerische Seite hin ausdehnte, 1909 jedoch schon wieder schließen musste. Um vor allem aus touristischer Sicht Verwechslungen mit dem österreichischen Großgmain vorzubeugen, benannte der hiesige Fremdenverkehrsverein „Gmain“ ab dem Jahre 1904 „Bayerisch Gmain“. Später folgten auch die offiziellen Stellen dieser Umbenennung.

Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs brach im benachbarten Bad Reichenhall die bis dahin überwiegend vertretene finanzkräftige aristokratische und großbürgerliche Gästeklientel weg, was sich auf die touristische Ausrichtung Gmains auswirkte. Dem vornehmlich inländischen Gästeaufkommen widmeten sich die Projekte eines Feuerweherholungsheimes (an Stelle des Hotels „Zur Schönen Aussicht“) 1925, der Umbau des „Hotel am Forst“ 1923 und die damit verbundene Positionierung als Wintersporthotel, wozu in der unmittelbaren Umgebung mehrere Sprungschanzen errichtet wurden. Nachdem die Großschanze 1950 noch einmal vergrößert worden war, fanden noch einige Jahre Sprungbewerbe mit internationaler Beteiligung statt (Schanzenrekord 91m).

Nach dem so genannten „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich 1938 wurde Bayerisch Gmain überraschenderweise nicht mit Großgmain gemeindlich vereinigt, sondern in seiner Eigenständigkeit belassen. Während des Zweiten Weltkriegs befand sich in einem Bunkergebäude in Bayerisch Gmain ein Forschungslabor, das mit einem der ersten leistungsfähigen Elektronenmikroskopen ausgestattet war. Mit Ausnahme des „Feuerwehrerholungsheimes“, das im Zuge des alliierten Bombenangriffs auf Bad Reichenhall am 25. April 1945 schwer beschädigt wurde, blieb Bayerisch Gmain von einer unmittelbaren Kriegszerstörung verschont.

In den Jahren von 1946 bis 1954 wurde der Bayerisch Gmainer / Großgmainer Grenzraum zu einem Brennpunkt des internationalen Schmuggels mit Zigaretten und Kaffee. Die Nachkriegsjahrzehnte waren dem Ausbau der Infrastruktur, der Schaffung neuer Ortsteile sowie der Stärkung des kurtouristischen Angebots gewidmet. Zu Letzterem zählte 1969 die Errichtung des „Haus des Gastes“ sowie der Sanatorienanlage der „Bundesversicherungsanstalt für Angestellte“ (BfA). Zudem verfügte Bayerisch Gmain über mehrere Kinder-Erholungsheime, darunter das Erziehungsinstitut „Hohenfried“, das sich bis heute als „Haus Hohenfried e.V.“ zu einer bedeutenden Einrichtung für betreute Menschen entwickelt hat.

Eine Eingemeindung Bayerisch Gmains nach Bad Reichenhall, wie sie im Zuge der so genannten Gemeindegebietsreform ab 1971 ernsthaft diskutiert und vor allem von Seiten der Bad Reichenhaller Stadtpolitik befeuert wurde, wurde letztlich abgewendet. In der Folge kam es zu einer engeren grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei unterschiedlichen Projekten, so etwa die gemeindliche Kläranlage, die Sportanlage „Gmoa-Arena“ sowie die gemeinsam herausgegebene Ortschronik „Auf der Gmain“. Bayerisch Gmain gehört zum Kurbezirk Bad Reichenhall und ist Mitglied der „KurGmbH Bad Reichenhall / Bayerisch Gmain“.

Literatur:

Albin Kühnel / Johannes Lang: Halt Zoll! Der Schmuggel zwischen Salzburg und Bayern 1946–1954, Bad Reichenhall 2010

Johannes Lang / Max Schneider: Auf der Gmain. Chronik der Gemeinden Bayerisch Gmain und Großgmain, Bayerisch Gmain / Großgmain 1995

Johannes Lang: Geschichte von Bad Reichenhall, Neustadt an der Aisch 2009, S. 190 – 193; 822.

Bearbeitung: Johannes Lang