Durchgangslager Piding (Piding)

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Hallen des Durchgangslagers Piding
Baracken des Wohnlagers Piding

In den vier großen 1941 erbauten Hallen des „Heeresverpflegungslagers“, die über einen Gleisanschluss verfügten (an der heutigen Ahornstraße gelegen), richtete das Bayerische Rote Kreuz (BRK) im September 1945 mit Genehmigung der Militärregierung ein Auffang- und Durchgangslager ein. Es wurden Flüchtlinge aus Südosteuropa, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien, vor allem aber aus Österreich aufgenommen, die mit der Eisenbahn in Piding ankamen. Sie erhielten im Lager Erste Hilfe, wurden vom Suchdienst erfasst und auf ihren Weitertransport vorbereitet. Der erste Transport mit 2.200 Personen traf am 15. Oktober 1945 ein. Das BRK hatte zwölf Eisenbahnwaggons mit Räumen zur sofortigen Versorgung der Ankommenden ausgestattet. Dort wurde jeder Ankömmling mit DDT entlaust, ärztlich untersucht, bekam eine warme Mahlzeit und eine Schlafstelle. Mit Marschverpflegung für ein bis zwei Tage ausgerüstet, wurden die Flüchtlinge weiter geleitet.

Das Lager Piding wurde 1946 dem „Grenzkommissar für Flüchtlingswesen“ unterstellt, der dem Staatskommissariat für Flüchtlingswesen bei der Bayerischen Staatsregierung angehörte. Er koordinierte die Lenkung und Verteilung der Flüchtlinge. Das BRK nahm weiterhin die Verpflegung und Betreuung der Lagerinsassen wahr.

Zwei Lager

1946 bestand das Lager aus den vier großen Hallen und etwa 60 Baracken, die insgesamt Platz für 5000 Personen boten. Ein Teil der Unterkünfte gehörte ab 1946 nicht mehr zum Durchgangslager, sondern diente als Wohnlager überwiegend für Flüchtlinge aus dem so genannten Sudetenland. Es bestanden also zwei voneinander unabhängige Lager: Das Durchgangslager für die Flüchtlinge, die weiter geleitet wurden und ein Wohnlager, wo auf Dauer hauptsächlich deutschböhmische Vertriebene wohnten.

Am 1. Mai 1948 übernahm der „Staatssekretär für das Flüchtlingswesen“ sämtliche Aufgaben im Lager. Der Sondereinsatz des BRK war damit beendet. Die bisher als „Lager Piding“ bezeichnete Anlage wurde nun in „Grenzdurchgangslager Piding“ umbenannt. Mit der „Verteilungsverordnung“ und dem „Heimkehrergesetz“ traten 1952 zwei neue Gesetze in Kraft, die den Betrieb im Lager regelten. Es wurden vor allem deutschstämmige Menschen aus Jugoslawien aufgenommen und in der gesamten Bundesrepublik Deutschland verteilt. Wegen des Ungarnaufstands kamen von November 1956 bis Januar 1957 über 5000 ungarische Flüchtlinge im Lager an, die dort betreut und weiter geleitet wurden.

Schließung

Am 1. Juli 1962 wurde das Grenzdurchgangslager Piding geschlossen. Es war als erstes Lager im damaligen Landkreis Berchtesgaden eingerichtet worden und bestand länger als alle anderen in diesem Gebiet. Fast Zwei Millionen Flüchtlinge und Vertriebene fanden dort in den 17 Jahren seines Bestehens Aufnahme. Es gehörte damit zu den größten Auffanglagern in Bayern.

Wirtschaftlicher Aufschwung

Im Bereich des Wohnlagers, welches überwiegend mit deutschböhmischen Vertriebenen belegt war, entwickelten sich mehrere Firmen. Diese haben enorm zum wirtschaftlichen Aufschwung Pidings beigetragen. So nahmen unter anderem die namhaften Firmen Schowanek (Holzwaren), Chiba (Handschuhe) und Kiefel (Maschinenbau) im Lager Piding ihren Anfang. Der Ortsteil im Bereich Ahornstraße/Lindenstraße wird vom Volksmund noch heute "Lager" genannt.

Literatur

Karl Welser: 1945-1955 Überlebenskraft im Berchtesgadener Land, Bad Reichenhall 1990

Ursula Koch (Gemeindearchiv Piding): Das Durchgangslager Piding – vor 50 Jahren geschlossen (Dokumentation der Ausstellung 2012)

Links

Helga Prosinger: Piding im Blick der Weltöffentlichkeit, Heimatblätter 8/2016: [1]

Bavarikon: Flüchtlinge und Vertriebene. https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Fl%C3%BCchtlinge_und_Vertriebene


Bearbeitung: Andreas Hirsch