Getreide
Der Getreidemarkt war in Reichenhall von großer Bedeutung, da im Umfeld der Stadt aufgrund der alpinen Landschaft kein ertragreicher Getreideanbau möglich war. Die Sender (Salzhändler) brachten als Rückfracht Getreide in die Stadt, das sie jeden Werktag-Vormittag auf der Schranne vor der Ägidikirche zum Verkauf anboten. An der Kirche stand die so genannte „Fronwage“ (fron mhd. „herrschaftlich, öffentlich“), wo die Waren vor dem Verkauf abgewogen werden mussten. Eine weitere öffentliche Wage befand sich am werktäglich stattfindenden Milchmarkt, an der heutigen Waaggasse hinter dem Alten Rathaus.
Hohl- und Längenmaße sowie Gewichte wurden von städtischen Beamten dreimal jährlich geprüft und mit dem Stadtwappen gekennzeichnet. Als übliches Getreide-Hohlmaß erscheint der Metzen. Weitere Maße: Drittelmetzen, Holzmetzen, Mäßl, Halbmäßl, 1/16 Kändl.
Auf Anweisung des Herzogs lagerte man ab 1479 einen Getreidevorrat im „Salinenkasten“ (heutiges „ReichenhallMuseum“ an der Getreidegasse) hinter dem Salzmeierhaus. Die für die Saline tätigen Holzknechte erhielten daraus bis 1870 einen Teil ihres Lohns in Form von Getreide. Daher der historische Name "Salinenkasten", der u. a. in Johann Georg Kerschners Baubeschreibung der zum Salzmeieramt gehörigen Gebäude (Reichenhall 1771) erscheint. In Notzeiten wurde das Getreide an die Bürger, vor allem aber an die Bäcker, verkauft. Das Brauen von Weißbier aus dem teuren Weizen war laut dem 1493 erlassenen Reichenhaller Reinheitsgebot erlaubt, was darauf hindeutet, dass die Stadt üblicherweise über genügend Vorräte von diesem Getreide verfügte.
Um am lukrativen bayerischen Salzhandel zu verdienen schuf Herzog Wilhelm V. das staatliche Salzhandels-Monopol zugunsten des Hauses Wittelsbach, wozu er 1586 bis 1589 die Handels- und Niederlagsrechte der Städte aufkaufte oder einzog. Damit waren die bürgerlichen Sender, welche zuvor durch den Salzhandel zu Reichtum und Einfluss gelangt waren, ihres Einkommens beraubt, da sie durch landesherrliche Beamte der Salzämter abgelöst wurden. Diese organisierten nun den Transport und engagierten entsprechende (bäuerliche) Fuhrleute. Dadurch blieben aber auch die Getreidelieferungen aus, die die Reichenhaller Sender als Rückfracht in die Salinenstadt brachten, weshalb sich der Preis für Getreide erhöhte.
Literatur:
Johannes Lang, Geschichte von Bad Reichenhall, 2009; Johannes Lang, Das Bier, das Salz und die Stadt, 2016
Bearbeitung: Andreas Hirsch