Institut St. Zeno der Englischen Fräulein

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Schultrakt im ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift St. Zeno
Der Kreuzgang in St. Zeno 1879
"Zögling" in Institutsuniform 1864

Institut St. Zeno der Englischen Fräulein – heutige Maria-Ward-Realschule in Bad Reichenhall

Die Geschichte der Maria-Ward-Realschule in Bad Reichenhall, eine der traditionsreichsten Schulen Bayerns, begann in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als die während der Säkularisation aufgehobenen Orden und Klöster wieder zugelassen wurden und auf das bayerische Bildungswesen großen Einfluss ausüben sollten.

In der Salinenstadt Reichenhall befand sich damals eine zahlreiche Beamtenschaft, von der wohl der Wunsch nach einer standesgemäßen Erziehung ihrer Töchter ausging. Am 18. Oktober 1852 begannen daher fünf Lehrerinnen vom Orden der Englischen Fräulein in den Räumen des ehemaligen, seit der Säkularisation völlig verwahrlosten Augustiner-Chorherrenstifts St. Zeno mit zunächst drei Zöglingen den Unterricht. Doch mit großem Organisationstalent bauten die Klosterfrauen in den folgenden Jahren eine „Höhere Töchterschule“ auf, die bald über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt war. Allerdings hatte das Institut in jenen Anfangsjahren immer wieder unter erheblichen finanziellen Problemen zu leiden, sodass die Nonnen gezwungen waren, einzelne Räume des Klosters an Kurgäste zu vermieten. So etwa verbrachte die österreichische Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach viele Sommeraufenthalte in St. Zeno und schrieb dort in klösterlicher Abgeschiedenheit an ihren mitgebrachten Entwürfen.

In den Jahren der Monarchie, gleichzeitig die Glanzzeit des Kurortes Reichenhall, haftete dem Institut der Englischen Fräulein von St. Zeno die Aura einer gewissen Noblesse und Internationalität an. Das lag wohl daran, dass Mädchen aus ganz Europa, vorwiegend jedoch aus der Habsburgermonarchie, die Schule besuchten, diese häufig aus großbürgerlichen und aristokratischen Kreisen stammten und immer wieder illustre, einen Hauch feudaler Lebensweise verbreitende Besucher dem Institut ihre Visite abstatteten: etwa Theodolinde von Leuchtenberg, eine Nichte König Ludwigs I., oder die mit dem russischen Zarenhaus verwandte Therese von Oldenburg, die sich ab 1861 zehn Jahre lang mit einem an glanzvolle Zeiten erinnernden Gefolge von 24 Personen samt Pferden und Wagen zu längeren Aufenthalten nach St. Zeno begab.

Oft waren gesundheitliche Aspekte ausschlaggebend, dass Eltern ihre Töchter ins Reichenhaller Institut der Englischen Fräulein schickten, vor allem dann, wenn diese aus den damals expandierenden Großstädten Wien und München kamen. Ein Internatsaufenthalt in dem nahe dem aufstrebenden Kurort Reichenhall gelegenen Kloster St. Zeno versprach günstige klimatische Bedingungen und die Gewissheit, die heranwachsenden Töchter für einige Zeit den durch die zunehmende Industrialisierung verursachten gesundheitsschädigenden Einflüssen der Großstadt zu entziehen. Zudem gab es im Institut der Englischen Fräulein von St. Zeno sogar eine eigene kleine „Kurabteilung“, in der sich die Zöglinge Solebädern und Molkenkuren unterziehen konnten.

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Sturz der Monarchien war die Zeit der noch von einem überzeugten Standesdenken geprägten „Höheren Töchterschule St. Zeno“ vorbei. Die Schülerinnen kamen seitdem zumeist aus mittelständisch-kleinbürgerlichen Kreisen, eine Entwicklung, die sich damals auch innerhalb der Reichenhaller Gästeklientel vollzog, hatte doch das Ende des Krieges für den einst so florierenden, mondänen Kurort eine enorme Zäsur bedeutet.

Der Charakter der Schule St. Zeno hatte sich allerdings bereits in den Vorkriegsjahren zu wandeln begonnen. Das Unterrichtsgeschehen wandte sich, dem Zeitgeist entsprechend, zunehmend von einer standesgemäßen Erziehung ab, richtete sich vorwiegend aufs praktische Leben und trug der sich vor allem nach dem Krieg immer mehr verbreitenden weiblichen Berufstätigkeit Rechnung. In den Jahren des „Dritten Reiches“ widerfuhr dem Institut St. Zeno das gleiche Schicksal wie anderen Ordensschulen. Den Klosterfrauen wurde von den neuen Machthabern die Leitung ihrer Schule entzogen; von 1939 bis 1945 unterstand das Institut der Trägerschaft der Stadt Bad Reichenhall. Doch bereits im Herbst 1945 wurde die Schule St. Zeno erneut in die Hände der Englischen Fräulein übergeben, die sie in den folgenden Jahren mit großem Engagement zu der neuen Schulgattung „Mittelschule“ ausbauten, die seit Beginn der 1950er Jahre zu einem wichtigen Bestandteil des bayerischen Schulsystems geworden war.

Die sich seit den 1960er Jahren „Realschule“ nennende, seit 2002 sogar sechsklassige Reichenhaller Bildungseinrichtung St. Zeno bekam allerdings zunehmend den Mangel an klösterlichem Nachwuchs zu spüren. Dies führte schließlich dazu, dass das Institut St. Zeno im Jahr 1996 der Erzdiözese München-Freising als neuem Schulträger übergeben wurde. Seit dem Schuljahr 2000/2001 wird das Direktorat der Schule, die inzwischen als „Maria-Ward-Realschule“ bezeichnet wird, von Frau Ruth Schliebs geleitet. Im Schuljahr 2013/2014 wurden erstmals Buben in die Schule aufgenommen.

Literatur

Helga Prosinger: Das Institut St. Zeno. Die Schule der Englischen Fräulein in Reichenhall von der Gründung 1852 bis in die 1950er Jahre, 2010. [1]

Helga Prosinger: „Töchterschule“ mit aristokratischem Flair. Das Institut St. Zeno in Reichenhall: Die Schule der Englischen Fräulein im 19. Jahrhundert, Heimatblätter 8/2009. [2]

Link

Erzbischöfliche Maria-Ward-Realschule St. Zeno [3]


Bearbeitung: Dr. Helga Prosinger