Karlstein (Bad Reichenhall)

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Ehemaliger Gasthof Kaitl, Pankrazkirche und Burgruine Karlstein
Karlsteiner Hochtal mit St. Pankraz und Burg Karlstein
Karlstein um 1700, Kupferstich von Michael Wening
Nonner Kircherl mit Hochstaufen
Thumsee und Ruine Karlstein um 1890


Karlstein ist ein Ortsteil innerhalb der Stadt Bad Reichenhall, orographisch links der Saalach in einem sich schluchtartig verengenden Tal gelegen, und war bis zur Gemeindegebietsreform 1978 eine politisch eigenständige Gemeinde. Ihre Fläche ging im Wesentlichen auf die ehemalige Hofmark Karlstein zurück. Der Name leitet sich von der ehemaligen Burg und nunmehrigen Ruine Karlstein her. Vor allem während der Frühen und Mittleren Bronzezeit sowie der Späten Latènezeit (LT D) befanden sich im Karlsteiner Hochtal überregional bedeutsame Siedlungen, deren Erkundung die Vor- und Frühgeschichtsforschung maßgeblich beeinflusste. Während des Mittelalters bildete die Burg Karlstein das Zentrum zunächst der Grafschaft Reichenhall, später der Hofmark Karlstein. Die dem Burgberg benachbarte Felsnadel trägt die aus dem Spätmittelalter stammende Wallfahrtskirche St. Pankraz. Im Zuge des Aufstiegs Reichenhalls zum Heilbad ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden in dem zuvor ausschließlich bäuerlich geprägten Karlstein vor allem in Nonn sowie im Nonner Oberland mehrere Gasthäuser, Villen und Hotels. In den Jahren 1934/35 errichtete man auf der Karlsteiner Weitwiese die heutige „Hochstaufenkaserne“.


Karlstein ist jener Ort im Reichenhaller Tal, dessen Vor- und Frühgeschichte am besten erforscht ist: An den Nordabhängen der schroffen Erhebungen Karlstein-, Pankraz- und Burgsteinfelsen lassen sich bereits in der ausgehenden Steinzeit menschliche Wohn- und Arbeitsstätten erkennen. Bald schon, um etwa 1.800 v. Chr., entstand hier ein Zentrum der Kupferverhüttung und Bronzeherstellung, wobei das Rohmaterial aus dem Inneralpinen Raum sowie aus dem Osten bezogen wurde. Vermutlich lebten und arbeiteten hier Familien, die in engem Bezug zu den Solequellen und deren Ausbeutung standen. Gleichzeitig lagen die Wohnstätten an einem wichtigen Verkehrsweg, der das Reichenhaller Becken über das Langackertal verließ und sich dort teilte, wobei einer der Wege über den Jochberg nach Inzell und weiter in den Chiemgau, der andere hingegen an der Nordseite des Karlsteinfelsens zum Thumsee und über den Nesselgraben und die untere Weißbachschlucht weiter in den Pinzgau führte.

Händler, die über die Saumwege nach Reichenhall gelangten, dankten gemeinhin für die geglückte Reise, die oft unter großen Strapazen und Gefahren erfolgt war, indem sie den Göttern an Weggabelungen und aussichtsreichen Plätzen Opfergaben darbrachten. Am Langacker und Eisenbichl standen über Jahrhunderte (ca. 1.500 – 1.200 v.Chr.) solche Brandopferplätze, an denen man sich höheren Mächten anvertraute.

Mit dem Aufkommen des Eisens um etwa 800 v. Chr. verlor die Karlsteiner Ansiedlung, die überwiegend von der Kupfer- und Bronzeerzeugung gelebt hatte, an Bedeutung, was zwei Jahrhunderte später sogar zur völligen Aufgabe der Wohnstätten führte. Die Verlagerung wirtschaftlicher Schwerpunkte sowie einsetzende Krisenzeiten führten dazu, dass die Gegend um den Karlstein erst um 200 v. Chr. wieder besiedelt wurde, nun vom Volk der Kelten, die stark vom mediterranen Lebensstil der Griechen und Römer beeinflusst waren. Nach deren Vorbild prägten sie Münzen, „Kleinsilber Karlsteiner Art“, benutzten Importware (römisches Geschirr) und konsumierten Wein aus dem Mittelmeerraum, wie ein aufgefundenes Weinwürzsieb zeigt, während sie im Gegenzug wohl mit Kupfer, Bronze und Eisen – naheliegend auch mit Salz – handelten.

Die Einverleibung des keltischen Königreiches Noricum, wozu auch Karlstein gehörte, in das Römische Reich erfolgte um 15. v. Chr. weitgehend auf friedlichem Wege. Die von der römischen Welt bereits beeinflussten Kelten verließen ihre hoch gelegenen Wohnstätten am Karlstein und siedelten sich im gut zugänglichen Talgrund an. Am Eingang zum Langackertal, der ein wichtiges Nadelöhr für den Verkehr darstellte, errichteten sie eine kleines Dorf (vicus), bestehend aus mehreren Gebäuden, welcher der Versorgung der städtischen Umgebung (vermutlich Reichenhalls) diente.

Mit den Einfällen feindlicher Germanenstämme im 4. Jahrhundert n. Chr. wurde auch der Vicus am Langacker zerstört. Wiederinstandsetzungen konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass große Wanderungen europäischer Völker das Römische Reich ernsthaft bedrohten und schließlich zum Abzug der Römer aus dem Alpenvorland führten. Teile der römischen Bevölkerung blieben jedoch in einigen Gegenden sesshaft, so auch im Reichenhaller Tal. Bis heute haben sich mehrere römische bzw. vorrömische Orts- und Flurnamen (Nonn, Garnei, Fager) in diesem Bereich erhalten. Als sich im 6./7. Jahrhundert n. Chr. Bajuwaren auch hier niederließen, trafen sie auf die so genannten Romanen, die in spätantiker römischer Tradition bereits den christlichen Glauben pflegten.

In jener Zeit bildete sich vermutlich die dörfliche Ansiedlung am Fuße des Karlsteinfelsens, der seit etwa 1140 eine Burg des aus Niederösterreich stammenden Adelsgeschlechts derer von Peilstein trug. Der Salzburger Erzbischof hatte den aus dem Geschlecht der Sighardinger stammenden Grafen von Peilstein zu seinem Vogt bestellt und ihm die Grafschaft Reichenhall mit dem Zentrum der Burg Karlstein verliehen. Während der häufigen Abwesenheit der Peilsteiner, die über mehrere andere Besitzungen und Grafschaften verfügten, verwaltete ein Kastellan die Burg. Im Jahre 1167 wird ein Kastellan namens Karl urkundlich erwähnt, nach dem dann die Burg (und schließlich der gesamte Ort) benannt wurde. Da die Peilsteiner während des Päpstlichen Schismas (1159–1177) gegen die Salzburger Kirche handelten, kam es zu einem Vertrauensbruch, weshalb der Erzbischof um 1180 mit Vager und Amerang zwei eigene Burgen errichten ließ, um seinen Einfluss auf das Reichenhaller Tal nicht einzubüßen.

Im Jahre 1218 starb das Adelgeschlecht der Peilsteiner im Mannesstamm aus, und zwischen dem Salzburger Erzbischof und dem Bayernherzog entbrannte ein heftiger Kampf um das peilsteinische Erbe im Reichenhaller Tal. In einem mehrere Jahrzehnte dauernden Kleinkrieg, der zwischen den beiden Kontrahenten zu einem regelrechten Burgenkrieg in Karlstein und der Umgebung Reichenhalls führte, konnte sich der Herzog Heinrich durchsetzen. Kriegerische Ereignisse führten 1262 zur Zerstörung der erzbischöflichen Burgen Kirchberg, Vager und Amerang und somit zum endgültigen Rückzug des Salzburger Erzbischofs aus dem Reichenhaller Raum.

Während diese Burganlagen nicht wieder aufgebaut wurden, setzte der Herzog einen Verwalter (Pfleger) auf Karlstein ein, der auch die darunter liegende Straßenmautstation (vermutlich beim späteren Gasthof „Kaitl“) betreute. Da Karlstein mittlerweile seine strategische Bedeutung eingebüßt hatte, verlieh der Herzog fortan die Burg gegen entsprechende Entgelt an Adelige, zumal auch ein größerer Umkreis – die Hofmark Karlstein – über die niederen Gerichtsrechte verfügte. Dem Repräsentationsbedürfnis dieser adeligen Hofmarksherren entsprach der Umbau der mittelalterlichen Burg zum neuzeitlichen Schloss, das jedoch auch weiterhin mit den Problemen der schwierigen Erreichbarkeit sowie dem Mangel an Wasser zu kämpfen hatte. 1690 gab man Karlstein schließlich dem Verfall preis.

Auf dem gegenüberliegenden Fels, der spätestens seit dem Jahre 1427 eine dem hl. Pankratius geweihte Kirche trug, wurde etwa zeitgleich mit dem einsetzenden Verfall des Schlosses Karlstein im Jahre 1687 ein neues Gotteshaus durch den Graubündener Baumeister Lorenzo Sciasca erbaut. Die zuvor bereits in Blüte stehende Wallfahrt dorthin erhielt durch den Neubau einen weiteren Impuls und trug zum Wohlstand des Gotteshauses bei.

Neben der Pankrazkirche war das Gasthaus Kaitl im 18. und frühen 19. Jahrhundert das wichtigste Gebäude in der Ortschaft Karlstein, das einen wichtigen Straßenposten auf dem Weg ins Gebirge darstellte. Hatte es bislang lediglich so genannte Obmannschaften mit nur geringer Einflussnahme gegeben, so wurde mit der Entstehung der Steuergemeinde Karlstein im Jahre 1818 der Ort politisch handlungsfähig. Außer der Obmannschaft Karlstein, die namengebend wurde, gehörten der neuen Gemeinde nun auch die Orte Nonn, Fager, Kirchberg, Thumsee und Nesselgraben an. Auch nach dem Einsetzen des Kurwesens in Bad Reichenhall um die Mitte des 19. Jahrhunderts lebte die Bevölkerung Karlsteins hauptsächlich vom landwirtschaftlichen Erwerb und dem Handelsverkehr auf der durch Karlstein führenden Fernstraße. Gleichwohl nutzen die Kurgäste den Ort für Ausflugsfahrten zur Reischlklamm und zum Kuglbachbauern, wobei vor allem der romantisch gelegene Thumsee zum begehrten Wanderziel avancierte. Das Hotel Fuchs gehörte zu den großen Hotels des Reichenhaller Tales. Um die Jahrhundertwende sorgten die am Langacker und im Karlsteiner Tal durchgeführten spektakulären archäologischen Ausgrabungen für internationales Aufsehen.

Im Verlaufe der folgenden drei Jahrzehnte bildete sich auch in Karlstein eine den Kurgästen entsprechende Infrastruktur, es entstanden zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten sowie ein Freibad. Nachdem bereits 1912 der Bad Reichenhaller Kurarzt Gustav Ortenau die Errichtung eines Garnisonsstandortes für eine neu zu bildende bayerischen Gebirgstruppe vorgeschlagen hatte, entstand in den Jahren 1934/35 auf der so genannten Weitwiese eine Doppelkaserne (Gebirgsjägerregiment 100 und Artillerie), deren Gelände in das Bad Reichenhaller Stadtgebiet eingemeindet wurde. In den 1950er Jahren erfolgte in der Sogwirkung des wieder erstarkten Bädertourismus im Staatsbad Bad Reichenhall ein entsprechender Aufschwung auch für Karlstein. Jahrzehnte zuvor bereits zum Kurbezirk gehörig, wurde Karlstein – ebenso wie Marzoll – bei der Gmeiendegebietsreform 1978 in die nunmehr Große Kreisstadt Bad Reichenhall eingemeindet.

Literatur:

Johannes Lang, Geschichte von Bad Reichenhall, Neustadt an der Aisch 2009

Herbert Pfisterer, Bad Reichenhall in seiner bayerischen Geschichte, München 1988

Hubert Vogel, Von viertausendjährigen Karlstein – Geschichte und Höfechronik, München 1973

Bearbeitung: Johannes Lang