Reichenhaller Reinheitsgebot

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Reichenhaller Reinheitsgebot von 1493

Beim so genannten Reichenhaller Reinheitsgebot handelt es sich um eine vom Reichenhaller Stadtrat erlassene Verordnung für alkoholische Getränke, die anlässlich der Ungeldverleihung an die Stadt 1493 entstanden ist. Dem Bier, seiner Zusammensetzung und dem Brauverfahren wurde darin besonderer Wert beigemessen. Unter anderem wurde angeordnet, als Brauzutaten nur Malz, Wasser und Hopfen zu verwenden. Die Bezeichnung als „Reichenhaller Reinheitsgebot“ geht auf den Historiker und Archivar Johannes Lang zurück.

Um die stark verschuldete Stadt Reichenhall finanziell zu unterstützen, verlieh Herzog Georg der Reiche 1492 der Stadt die Abgaben aus dem Ungeld, einer Art von Getränkeverbrauchssteuer auf alkoholische Getränke. Um die künftigen Einnahmen effizient zu gestalten und um die Qualität der verabreichten alkoholischen Getränke zu garantieren, erließ der Reichenhaller Stadtrat in Absprache mit dem herzoglichen Pfleger Wilhelm Trauner am 7. Februar 1493 eine Getränkeverordnung für Wein, Met und Bier.

In insgesamt 43 Punkten wurden Im- und Exportbedingungen, steuerliche Gefälle, Kontrollinstanzen, Herstellungsverfahren und Strafmaße festgelegt. Der größte Teil der Getränkeverordnung war dem Bier, seiner Zusammensetzung und Verkauf gewidmet. Punkt 24 sah vor, zum Bierbrauen – so es keine anderen Absprachen mit dem Stadtrat gab – nur Malz, Wasser und Hopfen zu verwenden: „Ain yeder Prew soll bey dem aid, dene er darumben geschworn hat, nit annders prauchen zu pier dann guet beschauts unnd gerechtfertigs Malltz, Wasser unnd Hopffn. Doch furgesetzt, ob er ainicherlay guts gewurtz weßßte, das dem menschn khainen schaden oder gebrechn brächte, sonnder nutz unnd gesundt wäre, das mag er unnß, dem Rate, ingehaym zaign unnd zuerkhennen geben. Soverr wir Ime dann etwas darinnen erlauben, das mag er brauchen. Aber außßer unsers erlaubens soll er nit anders dan di drew Stuckh zum Pier nutzn: Maltz, Wasser und Hopfn.“

Dass die Zugabe von Hefe beim Brauprozess sehr wohl bekannt war und als selbstverständlich für die Herstellung von Bier vorausgesetzt wurde, belegt Punkt 34, worin vermerkt wird, dass Brauer und Wirte die Bierhefe – hier „Germ“ genannt – verkaufen durften. Außerdem unterschied man sprachlich zwischen der Weinhefe, die als Hefe bezeichnet wurde, und der Bierhefe, also dem Germ. Die Getränkeverordnung sah ferner nicht nur die Herstellung von Bieren aus Gersten-, sondern auch aus Weizengetreide vor. Die genaue Beschreibung des Brauprozesses verdeutlicht darüber hinaus den hohen handwerklichen Standard bei der Bierproduktion im Reichenhall des ausgehenden Mittelalters.

Nur neun Tage nach Inkrafttreten der Reichenhaller Getränkeverordnung erließ Herzog Georg der Reiche am 16. Februar 1493 für das Teilherzogtum Bayern-Landshut, wozu auch Reichenhall gehörte, eine Biersatzordnung, in der ebenfalls Malz, Hopfen und Wasser als die alleinigen Bestandteile des Bieres verordnet wurden. Die zeitliche Nähe zur Reichenhaller Verordnung legt eine Einflussnahme nahe. Die Benennung „Reichenhaller Reinheitsgebot“ geht auf den Historiker und Bad Reichenhaller Stadtarchivar Johannes Lang zurück, der die Bedeutung der Urkunde 2016 erstmals erkannt und beschrieben hat. Das Original des Reichenhaller Reinheitsgebots befindet sich im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, München.

Literatur:

Johannes Lang: Das "Reichenhaller Reinheitsgebot" von 1493, Kontext - Wirkung - Edition, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Band 82 (Heft 1), 2019

Johannes Lang: Das Bier, das Salz und die Stadt. Geschichte der Bier- und Braukultur in Bad Reichenhall, Bad Reichenhall 2016 [1]

Heimatblätter 1/2021 [2]

Bearbeitung: Johannes Lang