Schmuggel nach 1945

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Der Schmuggel von Zigaretten und Kaffee nach 1945

Marterl für einen während der Zwischenkriegszeit ums Leben gekommenen Schmuggler beim Reiterheindl
Marterl für einen 1950 erschossenen Schmuggler in der Nähe des Salzburger Freilichtmuseums

Das „Schwärzen“ in Grenzgebieten hat eine lange Tradition. Und bei der Bevölkerung besaß dieses Delikt in etwa den gleichen moralischen Stellenwert wie das Wildern. Konnte das Gelände an der Grenze, wie im Bereich von Großgmain, Marzoll und Wals, auch noch ohne jede Schwierigkeit passiert werden, war das Schmuggeln eine alltägliche Beschäftigung. Vor allem in der Zeit zwischen den Weltkriegen und nach 1945 blühte der Schmuggel.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit galt der bayerisch-österreichische Grenzraum zwischen Großgmain und Burghausen als eines der schuggelträchtigsten Gebiete in Westdeutschland. Bedingt durch unterschiedliche Zölle und Steuersätze entstanden kurz nach 1945 einflussreiche und international agierende Schmuggelsyndikate, die bis etwa 1954 vor allem den Schmuggel von amerikanischen Zigaretten und Kaffee von Österreich nach Deutschland im großen Stil betrieben. Schon bald diktierte der Schwarzhandel die Gesellschaft in der Grenzregion, da sich mit dem Schmuggel in kürzester Zeit ein Vermögen verdienen ließ. Viele Menschen, darunter auch Zoll- und Polizeibeamte, ließen sich davon hinreißen und stellten sich in den Dienst der illegalen Sache. Der noch jungen Bundesrepublik Deutschland entgingen auf diese Weise jährlich Milliardenbeträge an Zöllen und Steuern, weshalb sie dem organisierten Schmuggelwesen den Kampf ansagte.

Der regionale Schmuggel in der Nachkriegszeit hatte unterschiedliche Gründe. Sie reichten von der Existenzsicherung notleidender Menschen bis hin zur reinen Bereicherung durch organisierte Banden. Dass sich aber nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges derart viele Menschen am organisierten Schmuggel beteiligt haben, liegt unter anderem auch an den damaligen Verhältnissen in Bad Reichenhall. Durch den Zuzug von über 5000 Evakuierten und weiteren 5000 Flüchtlingen und Vertriebenen galt die Stadt als die am stärksten belegte Gemeinde in Bayern. Darüber hinaus herrschte eine sehr hohe Arbeitslosigkeit: Um 1950 hatte in Bad Reichenhall jeder Vierte keine Arbeit. Kein Wunder also, dass sich fast die gesamte einheimische Bevölkerung, sowie Angehörige der Flüchtlingsgruppen und der Besatzungsmacht am Schmuggel beteiligten.

Organisierter Schmuggel

Der Schmuggel im großen Stil wurde vor allem durch „Displaced Persons“- „verschleppte Personen“, kurz DPs genannt und Angehörige des Amerikanischen Militärs organisiert. Im DP-Lager in der Reichenhaller Kaserne waren zeitweise bis zu 6000 Displaced Persons untergebracht. Sie alle warteten auf die Rückkehr in ihre Heimatländer oder die Auswanderung nach Amerika oder Israel. Und dazu brauchten Sie Geld. Auf der anderen Seite der Grenze in Salzburg gab es mehrere derartige Lager, mit denen die in Reichenhall untergebrachten DPs in Kontakt standen. Sowohl in Österreich als auch in Bayern war den Polizei- und Zollorganen der Zugang zu diesen Lagern verboten. Dadurch waren die Insassen vor Strafverfolgung weitgehend sicher. Die geschmuggelten Zigaretten wurden dann in die Münchener Möhlstraße gebracht, die damals eines der bedeutendsten Zentren des Schwarzhandels in Westdeutschland war. Für den Transport der Waren über die Grenze wurden einheimische Träger verpflichtet, welche mit den örtlichen Verhältnissen vertraut waren. Diese Träger schlossen sich ab 1947 verstärkt zu regelrechten Schmugglerbanden zusammen, die beinahe jede Nacht große Mengen von Zigaretten über die Grenze brachten. Jede dieser Banden hatte ihren Anführer, der mit den Auftraggebern und Abnehmern verhandelte, bestimmte, wann ein Schmuggelgang erfolgen sollte und die Träger dafür auswählte. Geschickte Anführer häuften so viel Geld an, dass sie den Schmuggel nicht mehr im Auftrag, sondern unabhängig betreiben konnten. Sie erlangten dann als „Schmugglerkönige“ oft eine gewisse Berühmtheit. Ab 1948 löste der Kaffee die Zigarette als hauptsächliches Schmuggelgut ab, da die Steuer dafür in Deutschland enorm erhöht wurde. Der Kaffeeschmuggel ging dann 1954 stark zurück, nachdem man die Steuer wieder herabgesetzt hatte.

Kampf der deutschen Zollorgane gegen den Schmuggel

Anfangs waren die Zollstreifen zu Fuß unterwegs oder lediglich mit einem Fahrrad ausgestattet, womit sie sehr schlechte Chancen hatten, die motorisierten Schmuggler zu stellen. Ab Herbst 1949 besaßen die Zöllner dann Beiwagenmaschinen, was die Erfolgsquote stark ansteigen ließ. Eine weitere Verbesserung im Kampf gegen den Schmuggel brachte das Mitführen von Zollhunden mit sich. Mit Großeinsätzen rückte man dann ab 1951 den Schmugglern zu Leibe.


Quelle:

Verein für Heimatkunde Bad Reichenhall (Hg.): Albin Kühnel, Johannes Lang, Halt Zoll! Der Schmuggel zwischen Salzburg und Bayern 1946 – 1954, Bad Reichenhall 2010.

Bearbeitung: Andreas Hirsch