Historische Anekdoten vom Grenzübergang Walserberg

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Seit auf Anordnung von Kurfürst Max III. Josef 1765 die „Mauth- und Accis-Ordnung“ eingeführt wurde, ist eine „Churbaierische Beymauth“ in Schwarzbach bei Reichenhall belegt. Diese war anfangs im Brödl-Anwesen untergebracht, bis sie Ende der 1780er Jahre ins benachbarte „Alte Mauthaus“ umzog. Dass es damals beim Grenzübertritt nicht immer friedlich zuging, lässt sich aus einem salzburgischen Hofratsprotokoll ersehen:

Der Salzburger Postillion Michael Zellner passierte mit seiner Postkutsche im Juli 1787 wie üblich die Mautstation Schwarzbach. Als er dem Mautdiener auf dessen Frage eine ungebührliche Antwort gab, versetzte ihm dieser mehrere Faustschläge. Der vorgesetzte Beamte, der bayerische Mautner, unternahm nichts zur Beendigung des sich entwickelnden Handgemenges. Die Salzburger Regierung beschwerte sich später bei der Regierung in München und warf dem Mautner eine „gehässige Verfahrensart und hierdurch an den Tag gelegte Geringschätzung gegen das Hochfürstl. [salzburgische] Postamt“, sowie „unnachbarliches und hartes Betragen“ vor. Der Salzburger Hofrat gestand allerdings zu, dass der Postillion den „gehörigen Respect und die schuldige Achtung“ habe vermissen lassen. Außerdem habe er „durch seine bezeigte Unart und Widersetzlichkeit“ die Handgreiflichkeit provoziert.



Von 1806 bis 1810 gehörten Salzburg und Berchtesgaden zu Österreich. Auf Befehl Kaisers Franz I. galt ab 17. Juli 1807 in beiden Territorien die „deutsch-erbländische Zollordnung“, worauf ein „k.k. Komerzial-Zollamt“ in Wals eingerichtet wurde. Als kleines Land, dessen Hauptstadt zu einem guten Teil vom Fernhandel lebte, hatte sich Salzburg bis dahin nicht gegen seine Nachbarn abgeschottet. Das große Österreich aber, zu dem es jetzt gehörte, begann mit der Errichtung einer wesentlich weniger durchlässigen Grenze, welche sich drastisch auch auf die Nachbarn im bayerischen Landgericht Reichenhall auswirken sollte. Die seit jeher notwendige Versorgung der Stadt Reichenhall mit Lebensmitteln aus dem salzburgischen Flachen Land (Außergebirg) wurde nun durch den strengen Kurs der österreichischen Zöllner erheblich erschwert. So erinnerte sich ein Zeitzeuge:

„Die bestellten Bankalaufseher [Zöllner], das hässlichste Insekt eines modernen Staates, hausten auf den Straßen von Wals, Piding und Gmain mit so übertriebener Vollmacht, dass sie Eier, Butter, Schmalz Hühner – kurz alles, was man nach Reichenhall zu Markte bringen wollte – auch in unbedeutender Quantität wegnahmen.“ Das rigorose Vorgehen des österreichischen Zolls führte in Reichenhall zu einem empfindlichen Engpass bei der Versorgung mit Lebensmitteln. Die Stadt war nämlich auf drei Seiten von österreichischem Gebiet umgeben und nur durch einen schmalen Weg, der über die Weißbachschlucht nach Inzell führte mit dem bayerischen Territorium verbunden.



Von 1810 bis 1816 waren die Zollstellen aufgelöst, da das Salzburger Land in dieser Zeit zum Königreich Bayern gehörte. Durch den „Münchner Vertrag“ jedoch fiel Salzburg am 1. Mai 1816 wieder an Österreich zurück. Das wieder eingerichtete Beizollamt Schwarzbach war mit einem Beizollbeamten und einem Amtsdiener, später auch mit einem Amtsschreiber besetzt. Nach § 47 der k.b. Zoll- und Mautordnung von 1811 „muss der Reisende bei der Ankunft an der Mautstätte ohne Ausnahme und ohne Rücksicht, ob er viel, wenig oder gar nichts Mautbares bei sich hat, anhalten und seinen Reisepaß vorlegen. Aus diesem muß zu entnehmen seyn, wie sich der Reisende nenne, wessen Standes und Karakters er sey, woher er komme, wohin er gehe.“ Manche Grenzgänger hielten sich nicht an die Vorschriften und etliche versuchten sogar im Schutz der Dunkelheit ihr Glück als Schmuggler. Am 25. September 1818 beobachteten österreichische Zöllner zwei Schwärzer dabei, wie sie eine Kuh über die grüne Grenze bringen wollten und nahmen ihnen das Tier ab. Die beiden Schmuggler aber entkamen unerkannt nach Bayern. Die Zollverwaltung veröffentlichte daraufhin einen Aufruf im Amtsblatt, in dem stand, dass sich die Delinquenten innerhalb von 30 Tagen freiwillig stellen sollten.



Unter den Schmugglern, die auf dem Walserberg erwischt wurden, war der Komponist Richard Wagner wohl einer der prominentesten. Er hatte 1861 seine Frau Cosima in Reichenhall besucht, die dort zur Kur weilte. Am 13. August fuhr er mit einer Kutsche nach Salzburg. Was er dabei am österreichischen Zollamt Walserberg erlebte, hat er später niedergeschrieben:

„In einem Einspänner fuhr ich zunächst das Tal hinab nach Salzburg. An der Grenze hatte ich ein Abenteuer mit dem Zollamte zu bestehen. Liszt hatte mir in Weimar ein Kistchen der kostbarsten, von Baron Sina ihm selbst verehrten Zigarren geschenkt; von einem Aufenthalt in Venedig her die unerhörten Chikanen kennend, durch welche die Einbringung dieses Artikels in Österreich erschwert ist, war ich darauf verfallen gewesen, die Zigarren einzeln unter meiner Wäsche und in den Kleidertaschen zu verstecken. Der Zolldiener, ein alter Soldat, schien aber auf solche Vorsichtsmaßnahmen vorbereitet zu sein und zog geschickt aus allen Falten meines kleinen Reisekoffers die Corpora delicti hervor. Ich hatte ihn durch ein Trinkgeld zu bestechen gesucht; dieses hatte er auch wirklich zu sich genommen, und ich war desto empörter, als er mich nun doch vor dem Amte denunzierte. Hier hatte ich eine starke Strafe zu zahlen, erhielt aber nun die Erlaubnis, die Zigarren zurückkaufen zu können, wovon ich jedoch wütend abstand; als mir dann die Quittung für meine ausgezahlte Strafe zugestellt wurde, übergab man mir auch zugleich den preußischen Taler, welchen vorher der Zollsoldat ruhig zu sich gesteckt hatte. Als ich mich dann zur Weiterreise in den Wagen setzte, sah ich diesen Zolldiener ruhig vor einem Schoppen sitzen und sein Stück Brot mit Käse verzehren, wobei er mich höflich grüßte; ich bot ihm jetzt seinen Taler wiederum an, diesmal aber weigerte er sich ihn anzunehmen. Ich habe mich später noch oft darüber geärgert, dass ich damals nicht den Namen dieses Menschen mir geben ließ, da ich den Gedanken festhielt, er müsse ein ausgezeichnet treuer Diener sein, als welchen ich ihn später gern zu mir genommen hätte…“



Am 21. August 1984 wurde nach Gesprächen der Bundeskanzler der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland, Fred Sinowatz und Helmut Kohl, ein erleichtertes Kontrollverfahren an den gemeinsamen Grenzen eingeführt; die so genannte „E-Spur“ (Europa-Spur). Damit sollten die Wartezeiten für österreichische und deutsche Staatsangehörige an den Grenzen verkürzt und Staus vermieden werden. Durch das Mitführen einer grünen „E-Plakette“ hinter der Windschutzscheibe versicherten die Autoinsassen, dass sie die grenzpolizeilichen Vorschriften einhielten und nur erlaubte Waren unter der Freigrenze mit sich führten. Ein Jahr später war in einem Erfahrungsbericht der Oberfinanzdirektion München zu lesen: „…hat sich der bisherige Umfang der Kontrollen österreichischerseits nicht verringert. Teilweise werden die Benützer von E-Plaketten häufiger und eingehender kontrolliert als die übrigen Reisenden…“ Obwohl die E-Spur-Regelung offiziell bis zum Beitritt Österreichs zur Europäischen Union 1995 galt, wurde sie schon bald nach ihrer Einführung auch von den deutschen Grenzbehörden nicht mehr angewandt.


Quellen:

Andreas Hirsch: Von Salzburg „retour nach Baiern“, Der Rupertiwinkel fiel vor 200 Jahren an das bayerische Königreich zurück, Heimatblätter 9/2010

Albin Kühnel: Von der Grenzmauth zum Binnenzollamt – 235 Jahre Zoll am Walserberg, Bad Reichenhall 2000

Norbert Schindler: Mehrdeutige Schüsse, zur Mikrogeschichte der bayerisch-salzburgischen Grenze im 18. Jahrhundert, Salzburg Archiv 23 (1997)

Bearbeitung: Andreas Hirsch