Marzoll (Bad Reichenhall)

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Marzoll ist ein Stadtteil von Bad Reichenhall und war bis 1978 eine eigenständige Gemeinde mit den Ortsteilen Marzoll, Türk, Schwarzbach und Weißbach. Bekannt sind das Schloss Marzoll, die Pfarrkirche St.Valentin und der Grenzübergang Walserberg.

Geschichte

Marzoll, Schloss und Kirche vor dem Untersberg
Der römische Gutshof von Marzoll (fünfte Bauphase) von Norden. Rekonstruktion von Miriam Hanusch.
Epitaph von Degenhard I. Fröschl (+1495) in der Vorhalle der Kirche St. Valentin
Marzoll um 1740 von Westen. Das Schloss besitzt noch den Wehrgang und die Welschen Hauben, der Kirchturm trägt noch einen gotischen Spitzhelm. In der Mitte ein barocker Park mit Pavillon. Gemälde eines unbekannten Malers (Stadtmuseum Bad Reichenhall)

Der Marzoller Schlossberg ist ein Vorsprung einer Geländeterrasse, der über Jahrtausende hinweg immer wieder als bevorzugter Siedlungsplatz genutzt wurde.

Mittlere Bronzezeit

Auf dem Schlossberg gab es eine Siedlung auf dem Gelände des heutigen Parkplatzes am Hotel Schlossberghof. Ein dazu gehöriger Friedhof befand sich oberhalb des Sportplatzes im Bereich des Gewerbegebietes der Gemeinde Großgmain. Dort wurde 2009 das Hockergrab einer Frau entdeckt. Ein Bronzebeil aus dieser Zeit wurde in Weißbach gefunden, wo eine kleine Siedlung vermutet wird.

Späte Bronzezeit

An der Stelle der mittelbronzezeitlichen Siedlung (Hotel-Parkplatz) wurde etwa 400 Jahre später ein Friedhof mit Urnengräbern angelegt (Leichenverbrennung). Streufunde deuten auch auf eine Besiedlung in diesem Bereich hin.

Eisenzeit, La-Téne-Zeit (Kelten)

Über 600 Jahre später bestand auf diesem Gelände (Hotel-Parkplatz) eine landwirtschaftlich ausgerichtete Siedlung der Kelten, die aus Kleinhausgehöften und Gruben bestand. Marzoll lag damals im Königreich der Noriker (Noricum), das friedliche Beziehungen zu den Römern im Süden unterhielt.

Römerzeit

Im Jahr 15 vor Christus besetzten die Römer das Gebiet nördlich der Alpen. Noricum wurde weitgehend friedlich in das Römische Reich eingegliedert. Die römische Provinz Noricum war in Bezirke eingeteilt, Marzoll gehörte zum Verwaltungsbezirk der Stadt Iuvavum (Salzburg). Um 50 n. Chr. wurde in Marzoll unterhalb des Schlossbergs ein Gutshof erbaut, der wohl zur Lebensmittelversorgung von Iuvavum oder Salinas (Reichenhall) beitragen sollte. An Getreide baute man in erster Linie Weizen an, aber auch Dinkel, Roggen, Gerste und Ackerbohnen wurden produziert. Üblicherweise gab es Apfel- und Birnbäume, sowie Nussbäume. Große Bedeutung besaßen auch die Rinderhaltung und die damit verbundene Herstellung von Käse. Die einheimische Bevölkerung hat im Laufe der Zeit die römische Kultur übernommen. Der Marzoller Gutshof lag an der Straße von Iuvavum nach Salinas an der Abzweigung zu den Marmorsteinbrüchen am Untersberg. Anfangs war der Gutshof ein landwirtschaftlicher Betrieb und wurde später zum Wohnsitz eines reichen Römers. Dieser war vielleicht Betreiber eines Steinbruchs am Untersberg oder Salzproduzent in Salinas. Der Gutshof wurde viermal umgebaut und dabei immer komfortabler und prächtiger ausgestattet (Fußbodenheizung, fließendes Wasser, Bad, Mosaiken, Wandmalereien). Die Lage am Fuß des Schlossbergs ermöglichte die Versorgung mit fließendem Wasser, außerdem war dort genügend Platz für die riesigen Bauten. Das Hauptgebäude war etwa 60 Meter lang und 20 Meter breit, dazu kamen noch Wirtschafts- und Speichergebäude und Ställe. Ein solches Anwesen war üblicherweise von einer Mauer umgeben. (Archäologisch erforscht ist bisher nur das Wohngebäude) Um 250 nach Christus wurde der Gutshof von germanischen Kriegern zerstört und nicht mehr im vollen Umfang aufgebaut. Im Jahr 488 zog das Römische Militär ab, ein Großteil der Bevölkerung übersiedelte nach Italien. Ein Teil der Einwohner blieb jedoch hier; diese Romanen haben den römischen Namen des Ortes „Marciolas“ überliefert, aus ihm wurde im Lauf der Jahrhunderte „Marzoll“. Auch im nahegelegenen Türk stand vermutlich ein kleineres landwirtschaftliches Anwesen, denn dieser Ortsname hat sich aus dem lateinischen „Duriacum“ entwickelt, was „Gut des Durius“ bedeutet.

Mittelalter

Nach dem Jahr 500 zogen neue Siedler in die Gegend. Sie stammten von verschiedenen germanischen und nichtgermanischen Stämmen ab und vermischten sich mit den Romanen. Dadurch entwickelte sich der neue Stamm der Bayern (Bajuwaren). In einer Urkunde (Notitia Arnonis), die in den Jahren 788-790 entstand, werden die Kirche und der Ortsname „ad marciolas“ („in Marzoll“) erstmals schriftlich erwähnt. Um das Jahr 800 gab es die „Herren von Marzoll“, die vermutlich in einem Wohnturm an der Stelle des späteren Schlosses wohnten. Während der Ablösung des Salzburger Landes von Bayern in den Jahren von 1275 bis 1340, blieb Marzoll im Herrschaftsbereich des Herzogs von Bayern.

Schloss und Hofmark

Um 1460 kaufte der Reichenhaller Patrizier Ludwig I. Fröschl den „Hof Marzoll“ (Wohnturm). Sein Sohn Degenhard I. erhielt 1475 die Hofmarksrechte (niedere Gerichtshoheit) über Marzoll, sowie dessen Sohn Degenhard II. 1499 über Schwarzbach. Die Dörfer Türk und Weißbach unterstanden nicht der Hofmark, sondern dem Landgericht Reichenhall. An der Stelle des Wohnturms ließ Degenhard II. Fröschl bis 1536 einen Familiensitz im Stil der Renaissance errichten. Die Schlossanlage in Form eines viereckigen Baukörpers mit vier von Kuppeln gekrönten Ecktürmen war eine der ersten ihrer Art in Bayern. Joseph Fröschl beteiligte sich an einer Verschwörung von Adeligen gegen den Herzog. Er wurde zu Gefängnishaft verurteilt und musste, hoch verschuldet, 1574 das Schloss verkaufen. Von 1605 bis 1798 waren das Schloss und die Hofmark Marzoll im Besitz der Familie Lasser von Lasseregg. Sie ließ das Anwesen erweitern (Torgebäude) und das Innere im Barockstil umgestalten. 1798 fielen die Hofmarksrechte an das Kurfürstentum Bayern und das Schloss kam in den Besitz der Familie Laßberg. Ab 1834 besaßen die Freiherrn von Aretin das Schloss. Die Freiherren von Malsen, ab 1837 Besitzer des Anwesens, ließen die Renaissance-Kuppeln der vier Türme abtragen und durch Zinnen im Stil der Neugotik ersetzen.

Wallfahrt

Eine bedeutende Wallfahrt zum Heiligen Valentin in der Marzoller Kirche geht auf ein Wunder im Jahre 1496 zurück, bei dem ein Kind aus Thalgau von der Epilepsie geheilt worden sein soll. Die meisten Wallfahrer kamen aus salzburgischen Orten der näheren und weiteren Umgebung, aus Wals, Piding, Ainring und Bergheim, auch aus Salzburghofen, Saaldorf, Anthering und Thalgau. Die Wallfahrt, bei der vor allem lebende schwarze Hennen geopfert wurden, erreichte später im 17. und 18. Jahrhundert ihre höchste Blüte. Durch die beträchtlichen Wallfahrtseinnahmen konnte der Umbau der Kirche (1748-1750) im Barockstil von der Kirche selbst bezahlt werden. Die Wallfahrt kam nach der Aufklärung am Ende des 18. Jh. zum Erliegen. 1809 wurde Marzoll eine eigene Pfarrei, nachdem es seit dem 14. Jh. zur Pfarrei Gmain (Großgmain) gehört hatte.

Gemeinde Marzoll

Im Jahr 1818 entstand aus den Dörfern Marzoll, Türk, Schwarzbach und Weißbach die Gemeinde Marzoll. Der Ort war von jeher durch die Landwirtschaft geprägt. Zeugen der über Jahrhunderte gewachsenen bäuerlichen Kultur sind neben der Kulturlandschaft vor allem erhaltene historische Bauernhöfe. Als bemerkenswerte Beispiele für den Typ des „Salzburger Flachgauhofs“ gelten die Anwesen „Hager“, „Landerl“, „Jagl“ und „Hoder“ in Türk. Marzoll wurde 1978 nach Bad Reichenhall eingemeindet. Das Wappen der ehemaligen Gemeinde Marzoll zeigt über dem Schloss die drei Kleeblätter aus dem Familienwappen der Familie Lasser von Lasseregg.


Siehe auch: Fröschl (Patrizierfamilie)

Literatur

Herbert Fröhlich: Marzoll, eine oberbayerische Chronik, 2008

Andrea Krammer: Kelten, Römer und Bajuwaren. Führer zu den vor- und frühgeschichtlichen Stätten im Reichenhaller Raum, Bad Reichenhall 2012

Johannes Lang: Geschichte von Bad Reichenhall, 2009

Link

100 Jahre Marzoller Schulhaus: Heimatblätter 2/2014 [1]

Bearbeitung: Andreas Hirsch