Milchzentralisation und Milchstreik nach dem Ersten Weltkrieg: Unterschied zwischen den Versionen

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<div class="center">Erklärung !</div>
<div class="center"><big>Erklärung !</big></div>
 


Auf die "Erklärung" der Marzoller Milchbauern im Reichenhaller Grenzboten
Auf die "Erklärung" der Marzoller Milchbauern im Reichenhaller Grenzboten
sei nachstehendes erwidert.
sei nachstehendes erwidert.


1. Der Stadtmagistrat ist verpflichtet, für eine geregelte Milchversorgung der städtischen
<div style=text-align:justify>1. Der Stadtmagistrat ist verpflichtet, für eine geregelte Milchversorgung der städtischen Bevölkerung zu sorgen.Um eine gerechte Verteilung der angelieferten Milchmengen sicherzustellen, mußte angeordnet werden, daß die gesamten Milchmengen von einer einzigen Sammelstelle erfaßt und von dieser an die einzelnen Milchverkaufsgeschäfte unterverteilt werden. Ist viel Milch vorhanden, wird viel verteilt, ist weniger Milch vorhanden, wird weniger verteilt. Immer aber wird die Verteilung gleichheitlich gehandhabt. Jeder Vernünftige begreift das. Die Milchbauern von Marzoll begreifen es nicht.
Bevölkerung zu sorgen.Um eine gerechte Verteilung der angelieferten Milchmengen
sicherzustellen, mußte angeordnet werden, daß die gesamten Milchmengen von einer
einzigen Sammelstelle erfaßt und von dieser an die einzelnen Milchverkaufsgeschäfte
unterverteilt werden. Ist viel Milch vorhanden, wird viel verteilt, ist weniger Milch vorhanden,
wird weniger verteilt. Immer aber wird die Verteilung gleichheitlich gehandhabt.
Jeder Vernünftige begreift das. Die Milchbauern von Marzoll begreifen es nicht.


2. Die Milchzentralisierung ist ein notwendiges Übel.Das kann offen zugestanden werden.
2. Die Milchzentralisierung ist ein notwendiges Übel. Das kann offen zugestanden werden. Sie ist mit manchen Unzuträglichkeiten verbunden, die Milch wird verteuert und nicht besser. Diese Nachteile müssen indessen in Kauf genommen werden. Ohne die Milchzentralisierung würde das Übel noch größer, ja unerträglich. Eine Minderheit der Versorgungsberechtigten würde die ganze ihr zustehende Milch, häufig noch mehr, die Mehrheit aber viel weniger als das ihr zustehende oder gar nichts erhalten. Diese Befürchtung ist nicht aus der Luft gegriffen Die Erfahrung hat es gelehrt.
Sie ist mit manchen Unzuträglichkeiten verbunden, die Milch wird verteuert und nicht besser.
Diese Nachteile müssen indessen in Kauf genommen werden. Ohne die Milchzentralisierung
würde das Übel noch größer, ja unerträglich. Eine Minderheit der Versorgungsberechtigten
würde die ganze ihr zustehende Milch, häufig noch mehr, die Mehrheit aber viel weniger
als das ihr zustehende oder gar nichts erhalten. Diese Befürchtung ist nicht aus der Luft
gegriffen Die Erfahrung hat es gelehrt.


3. Die Milchzentrale konnte seitens der Stadt nur an einer Stelle errichtet werden,die über
3. Die Milchzentrale konnte seitens der Stadt nur an einer Stelle errichtet werden,die über die entsprechenden technischen Einrichtungen und geschultes Personal verfügt. Das sieht wieder jeder Vernünftige ein. Die Milchbauern von Marzoll sehen es nicht ein, weil die Milchzentrale den Namen "Spieldiener" führt. Kann man der Stadtgemeinde im Ernst zumuten, unter ungeheuren Kosten für Apparate, Ladenmiete, Personalanstellungen usw., für eine voraussichtlich nicht allzulange Spanne Zeit eine eigene Milchzentrale zu errichten, nachdem am Ort selbst eine (einzige !) vorzüglich eingerichtete Molkerei besteht.
die entsprechenden technischen Einrichtungen und geschultes Personal verfügt. Das sieht
wieder jeder Vernünftige ein. Die Milchbauern von Marzoll sehen es nicht ein, weil die
Milchzentrale den Namen "Spieldiener" führt. Kann man der Stadtgemeinde im Ernst zumuten,
unter ungeheuren Kosten für Apparate, Ladenmiete, Personalanstellungen usw., für eine
voraussichtlich nicht allzulange Spanne Zeit eine eigene Milchzentrale zu errichten, nachdem
am Ort selbst eine (einzige !) vorzüglich eingerichtete Molkerei besteht.


4. Die Milchbauern sind nach Gesetz und Gewissen verpflichtet ihre Milch an die städtischen
4. Die Milchbauern sind nach Gesetz und Gewissen verpflichtet ihre Milch an die städtischen Sammelstellen abzuliefern. Auf welche Weise die Stadt die Milch an ihre Einwohner verteilt, geht die Milchbauern nichts an, darüber hat einzig und allein der Stadtmagistrat zu befinden.
Sammelstellen abzuliefern. Auf welche Weise die Stadt die Milch an ihre Einwohner verteilt,
Der Magistrat mischt sich ebensowenig in die inneren Verhältnisse einer Landgemeinde ein. Was dem einen recht ist, muß dem anderen billig sein.
geht die Milchbauern nichts an, darüber hat einzig und allein der Stadtmagistrat zu befinden.
Der Magistrat mischt sich ebensowenig in die inneren Verhältnisse einer Landgemeinde ein.
Was dem einen recht ist, muß dem anderen billig sein.


5. Indem die Marzoller Milchbauern  der ihnen nach Gesetz und Gewissen obliegenden
5. Indem die Marzoller Milchbauern  der ihnen nach Gesetz und Gewissen obliegenden Milchlieferungen an die verordneten städt. Sammelstellen nicht nachkamen, haben sie Milchstreik getrieben. Daran ändert nichts ihre Behauptung, wonach sie die Milch an private oder Milchverkaufsstellen wollen geliefert haben. Gegenüber der für die Milchversorgung und Milchverteilung ausschließlich zuständigen und verantwortlichen Stadtverwaltung haben sie gestreikt.
Milchlieferungen an die verordneten städt. Sammelstellen nicht nachkamen, haben sie
Milchstreik getrieben. Daran ändert nichts ihre Behauptung, wonach sie die Milch an private
oder Milchverkaufsstellen wollen geliefert haben. Gegenüber der für die Milchversorgung und
Milchverteilung ausschließlich zuständigen und verantwortlichen Stadtverwaltung haben sie
gestreikt.


6. Ueber die einfältige Unterstellung, als hätten die Magistratsmitglieder  und der Bürgermeister
6. Ueber die einfältige Unterstellung, als hätten die Magistratsmitglieder  und der Bürgermeister als " Freunde " des Herrn Spieldiener diesem zur Erhöhung der Rentabilität seines Betriebs die Milchzentrale zugeschanzt, könnte man mit einem mitleidigen Lächeln hinweggehen, wenn diese Unterstellung nicht ein trauriges  Beispiel für eine Kampfesweise böte, die über den Mangel sachlicher Gründe durch gehässige persönliche Angriffe hinwegzutäuschen sucht.</div>
als " Freunde " des Herrn Spieldiener diesem zur Erhöhung der Rentabilität seines Betriebs die
Milchzentrale zugeschanzt, könnte man mit einem mitleidigen Lächeln hinweggehen, wenn
diese Unterstellung nicht ein trauriges  Beispiel für eine Kampfesweise böte, die über den
Mangel sachlicher Gründe durch gehässige persönliche Angriffe hinwegzutäuschen sucht.




<div Class="center">Bad Reichenhall, 20. Februar 1919
<div Class="center"><big>Bad Reichenhall, 20. Februar 1919


Stadtmagistrat
Stadtmagistrat


Rechtsk. Bürgermeister: S ö l l n e r</div>
Rechtsk. Bürgermeister: S ö l l n e r</big></div>




'''Bearbeitung:''' Rudolf Schamberger
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