Bayern und Salzburg: Unterschied zwischen den Versionen

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'''1806 - Ende der alten Ordnung'''
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Im Heiligen Römischen Reich hatte sich Österreich bereits im 13. Jahrhundert unter den Habsburgern zum mächtigsten Fürstentum entwickelt. Als erster Kaiser aus dem Hause Habsburg wurde Rudolf I. 1273 in Aachen gekrönt. Ihm folgten im Laufe der Jahrhunderte 20 Habsburger auf dem Thron des Heiligen Römischen Reiches. Seit der Krönung Albrechts II. 1438 hatten fast ausschließlich die Habsburger den Kaiser gestellt, weshalb deren Residenzstadt Wien als eines der Zentren des Heiligen Römischen Reiches galt. Ab dem 15. Jahrhundert setzte sich der Name „Heiliges Römisches Reich Teutscher Nation“ durch, weil das Reich mittlerweile hauptsächlich nur noch deutschsprachige Gebiete umfasste. Das vielgestaltige föderale Staatsgebilde wurde auch kurz „Teutsches Reich“ oder einfach „Teutschland“ genannt. So etwa verkündete nach der Geburt von Joseph II., des erstgeborenen Sohns von Maria Theresia am 13. März 1741 in Wien stolz ein Transparent: „Es bleibt beim Haus von Österreich der Adler von den Teutschen Reich!“ Denn mit dem Thronfolger war den Habsburgern auch in Zukunft die Kaiserwürde so gut wie sicher.
Im Heiligen Römischen Reich hatte sich Österreich bereits im 13. Jahrhundert unter den Habsburgern zum mächtigsten Fürstentum entwickelt. Als erster Kaiser aus dem Hause Habsburg wurde Rudolf I. 1273 in Aachen gekrönt. Ihm folgten im Laufe der Jahrhunderte 20 Habsburger auf dem Thron des Heiligen Römischen Reiches. Seit der Krönung Albrechts II. 1438 hatten fast ausschließlich die Habsburger den Kaiser gestellt, weshalb deren Residenzstadt Wien als eines der Zentren des Heiligen Römischen Reiches galt. Ab dem 15. Jahrhundert setzte sich der Name „Heiliges Römisches Reich Teutscher Nation“ durch, weil das Reich mittlerweile hauptsächlich nur noch deutschsprachige Gebiete umfasste. Das vielgestaltige föderale Staatsgebilde wurde auch kurz „Teutsches Reich“ oder einfach „Teutschland“ genannt. So etwa verkündete nach der Geburt von Joseph II., des erstgeborenen Sohns von Maria Theresia am 13. März 1741 in Wien stolz ein Transparent: ''„Es bleibt beim Haus von Österreich der Adler von den Teutschen Reich!“'' Denn mit dem Thronfolger war den Habsburgern auch in Zukunft die Kaiserwürde so gut wie sicher.


Das im 18. Jahrhundert herrschende Selbstverständnis der Österreicher und der Salzburger macht ein weiteres prominentes Beispiel deutlich. Aus Wien schickte Wolfgang Amadeus Mozart am 17. August 1782 einen Brief an seinen Vater in Salzburg, in dem er über die schwierige Suche nach einer Anstellung berichtete: ''„…will mich Teutschland, mein geliebtes vatterland, worauf ich/ wie sie wissen/ stolz bin, nicht aufnehmen, so muß in gottes Namen frankreich oder England wieder um einen geschickten Teutschen reich werden; und das zur Schande der teutschen Nation…“''
Das im 18. Jahrhundert herrschende Selbstverständnis der Österreicher und der Salzburger macht ein weiteres prominentes Beispiel deutlich. Aus Wien schickte Wolfgang Amadeus Mozart am 17. August 1782 einen Brief an seinen Vater in Salzburg, in dem er über die schwierige Suche nach einer Anstellung berichtete: ''„…will mich Teutschland, mein geliebtes vatterland, worauf ich/ wie sie wissen/ stolz bin, nicht aufnehmen, so muß in gottes Namen frankreich oder England wieder um einen geschickten Teutschen reich werden; und das zur Schande der teutschen Nation…“''
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Die neue Staatszugehörigkeit und die damit verbundenen einschneidenden Veränderungen wurden aber vor allem von der Bevölkerung im Gebirge abgelehnt. Diese projizierte ihren Reichspatriotismus auf den österreichischen Kaiser Franz I., der zuvor als Franz II. Kaiser des 1806 untergegangenen „Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation“ gewesen war. Zudem hatten in der österreichischen Zeit von 1806 bis 1809 die Behörden im Land selbst kaum Veränderungen vorgenommen. Die Beibehaltung des so genannten „alten Herkommens“ war den Bauern weitaus lieber als die Reformflut der bayerischen Verwaltung.  
Die neue Staatszugehörigkeit und die damit verbundenen einschneidenden Veränderungen wurden aber vor allem von der Bevölkerung im Gebirge abgelehnt. Diese projizierte ihren Reichspatriotismus auf den österreichischen Kaiser Franz I., der zuvor als Franz II. Kaiser des 1806 untergegangenen „Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation“ gewesen war. Zudem hatten in der österreichischen Zeit von 1806 bis 1809 die Behörden im Land selbst kaum Veränderungen vorgenommen. Die Beibehaltung des so genannten „alten Herkommens“ war den Bauern weitaus lieber als die Reformflut der bayerischen Verwaltung.  


In der Stadt Salzburg machten sich die Bayern unter anderem durch die Auflösung der Salzburger Landstände und der Universität unbeliebt. Dabei dürfte der Anschluss an Bayern anfangs im „Flachen Land“ (heute: Flachgau, Tennengau, Rupertiwinkel) weitgehend akzeptiert und in der Stadt sogar begrüßt worden sein. In der Stadt Salzburg waren private Transparente mit Aufschriften wie etwa „Retour nach Baiern“ zu lesen und die Salzburger Zeitung erblickte den Tag, „...wo uns der Zeitenlauf wieder zu dem alten Vaterhause bringt, dem wir einst angehörten“. Die rücksichtslose Durchsetzung der Reformen im Sinne des Grafen Montgelas jedoch ließ die Sympathie für den Verbleib bei Bayern drastisch schwinden. Ziel des zentralistischen Staates war es, durch die vollständige Löschung der alten Strukturen und jeglicher Eigenart, ein nur nach verwaltungstechnischen Gesichtspunkten gestaltetes Land zu schaffen. Den Salzburgern drohte damit der Verlust ihrer Identität.
In der Stadt Salzburg machten sich die Bayern unter anderem durch die Auflösung der Salzburger Landstände und der Universität unbeliebt. Dabei dürfte der Anschluss an Bayern anfangs im „Flachen Land“ (heute: Flachgau, Tennengau, Rupertiwinkel) weitgehend akzeptiert und in der Stadt sogar begrüßt worden sein. In der Stadt Salzburg waren private Transparente mit Aufschriften wie etwa ''„Retour nach Baiern“'' zu lesen und die Salzburger Zeitung erblickte den Tag, ''„...wo uns der Zeitenlauf wieder zu dem alten Vaterhause bringt, dem wir einst angehörten“.'' Die rücksichtslose Durchsetzung der Reformen im Sinne des Grafen Montgelas jedoch ließ die Sympathie für den Verbleib bei Bayern drastisch schwinden. Ziel des zentralistischen Staates war es, durch die vollständige Löschung der alten Strukturen und jeglicher Eigenart, ein nur nach verwaltungstechnischen Gesichtspunkten gestaltetes Land zu schaffen. Den Salzburgern drohte damit der Verlust ihrer Identität.


In den folgenden Jahren erfolgten der Ausbau von Straßen, die Einführung der staatlichen Post und Neuerungen in der Landwirtschaft. Das Schul- und Bildungswesen und die medizinische Versorgung wurden verbessert. Schwere Belastungen für die Bevölkerung aber stellten die Erhöhung von Steuern und Abgaben sowie die Truppenaushebungen dar. Trotz der kriegerischen Ereignisse kümmerte man sich um kulturelle Angelegenheiten: Die Bayerische Akademie der Wissenschaften begann 1815 mit der Ausgrabung der bekannten römischen Palastvilla in Loig.
In den folgenden Jahren erfolgten der Ausbau von Straßen, die Einführung der staatlichen Post und Neuerungen in der Landwirtschaft. Das Schul- und Bildungswesen und die medizinische Versorgung wurden verbessert. Schwere Belastungen für die Bevölkerung aber stellten die Erhöhung von Steuern und Abgaben sowie die Truppenaushebungen dar. Trotz der kriegerischen Ereignisse kümmerte man sich um kulturelle Angelegenheiten: Die Bayerische Akademie der Wissenschaften begann 1815 mit der Ausgrabung der bekannten römischen Palastvilla in Loig.
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Die Salzburger Abgeordneten im Frankfurter Parlament hatten bei der Debatte um eine deutsche Verfassung gegen die vorgesehene Abtrennung der nichtdeutschen Provinzen von Österreich gestimmt, weil dadurch der Bestand der Habsburgermonarchie gefährdet worden wäre. Der Salzburger Gemeindeausschuss schickte daraufhin ein Protestschreiben nach Frankfurt. Darin wurde deutlich gemacht, dass ein Anschluss Salzburgs an ein vereinigtes Deutschland als wichtiger erachtet werde, als jeglicher österreichische Patriotismus. Auch in einem Dankschreiben des Stadtrates an den Kaiser für die Erhebung Salzburgs zum eigenen Kronland im März 1849 kam die deutschpatriotische Gesinnung der Salzburger zum Ausdruck: ''„[Salzburg] wird nun deutsche Hauptstadt eines urdeutschen Landes.“''
Die Salzburger Abgeordneten im Frankfurter Parlament hatten bei der Debatte um eine deutsche Verfassung gegen die vorgesehene Abtrennung der nichtdeutschen Provinzen von Österreich gestimmt, weil dadurch der Bestand der Habsburgermonarchie gefährdet worden wäre. Der Salzburger Gemeindeausschuss schickte daraufhin ein Protestschreiben nach Frankfurt. Darin wurde deutlich gemacht, dass ein Anschluss Salzburgs an ein vereinigtes Deutschland als wichtiger erachtet werde, als jeglicher österreichische Patriotismus. Auch in einem Dankschreiben des Stadtrates an den Kaiser für die Erhebung Salzburgs zum eigenen Kronland im März 1849 kam die deutschpatriotische Gesinnung der Salzburger zum Ausdruck: ''„[Salzburg] wird nun deutsche Hauptstadt eines urdeutschen Landes.“''


Die Abgeordneten aus Bayern hatten in Frankfurt auf einer großdeutschen Lösung (unter Einbeziehung Österreichs) beharrt und  damit dem Wunsch der überwiegenden Mehrheit der bayerischen Bevölkerung entsprochen. Diese bevorzugte eine österreichische (habsburgische) Führung Deutschlands und wollte keinesfalls unter preußische Oberhoheit geraten. Zum Ausdruck kommt dies auch in dem Gedicht „Nicht ohne Oesterreich!“ des Reichenhaller Landrichters Cäsar von Widder, das am 27. April 1849 im „Bayerischen Gebirgsboten“, dem späteren „Reichenhaller Tagblatt“ veröffentlicht wurde.  
Die Abgeordneten aus Bayern hatten in Frankfurt auf einer großdeutschen Lösung (unter Einbeziehung Österreichs) beharrt und  damit dem Wunsch der überwiegenden Mehrheit der bayerischen Bevölkerung entsprochen. Diese bevorzugte eine österreichische (habsburgische) Führung Deutschlands und wollte keinesfalls unter preußische Oberhoheit geraten. Zum Ausdruck kommt dies auch in dem Gedicht ''„Nicht ohne Oesterreich!“'' des Reichenhaller Landrichters Cäsar von Widder, das am 27. April 1849 im „Bayerischen Gebirgsboten“, dem späteren „Reichenhaller Tagblatt“ veröffentlicht wurde.  


Von 1853 bis 1866, in einer Zeit der politischen Annäherung zwischen Bayern und Österreich, bestand an der Landesgrenze ein Gemeinschaftszollamt in der Ortschaft Walserberg auf der österreichischen Seite. In jenen Jahren gab es auch schon einen Transitverkehr durch das spätere „Kleine deutsche Eck“ zwischen dem Walserberg und Melleck (Steinpass). In Melleck gab es ebenfalls ein bayerisch-österreichisches Gemeinschaftszollamt.
Von 1853 bis 1866, in einer Zeit der politischen Annäherung zwischen Bayern und Österreich, bestand an der Landesgrenze ein Gemeinschaftszollamt in der Ortschaft Walserberg auf der österreichischen Seite. In jenen Jahren gab es auch schon einen Transitverkehr durch das spätere „Kleine deutsche Eck“ zwischen dem Walserberg und Melleck (Steinpass). In Melleck gab es ebenfalls ein bayerisch-österreichisches Gemeinschaftszollamt.