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Vor dem 17. Jahrhundert unterschied sich das Gewand regional kaum. Zwischen Stadt- und Landbewohnern bestanden Unterschiede in Material, Farben und Verzierung, weniger im Schnitt. Die jeweiligen Stände trugen unterschiedliche Kleidung, eiferten jedoch den Fürstenhöfen in Sachen Mode nach. Neuerungen übernahmen zunächst die Adeligen, dann die Bürger und schließlich die Handwerker und Bauern. Auf diese Weise erreichten die Modeströmungen mit zeitlicher Verzögerung alle Schichten der Bevölkerung. Das Erscheinungsbild der Kleidung hing ab vom wirtschaftlichen Wohlstand der Bevölkerung und vom textilen Handwerk der Gegend. In der Region um Reichenhall wurde aus Flachs Leinen und aus Wolle Loden hergestellt. Außerdem wirkten sich verschiedene Einflüsse von außen und Kleiderordnungen des Landesherrn auf die Entwicklung der orts- oder standesüblichen Tracht aus. So etwa die Bayerische Kleiderordnung Kurfürst Maximilians von 1626. | Vor dem 17. Jahrhundert unterschied sich das Gewand regional kaum. Zwischen Stadt- und Landbewohnern bestanden Unterschiede in Material, Farben und Verzierung, weniger im Schnitt. Die jeweiligen Stände trugen unterschiedliche Kleidung, eiferten jedoch den Fürstenhöfen in Sachen Mode nach. Neuerungen übernahmen zunächst die Adeligen, dann die Bürger und schließlich die Handwerker und Bauern. Auf diese Weise erreichten die Modeströmungen mit zeitlicher Verzögerung alle Schichten der Bevölkerung. Das Erscheinungsbild der Kleidung hing ab vom wirtschaftlichen Wohlstand der Bevölkerung und vom textilen Handwerk der Gegend. In der Region um Reichenhall wurde aus Flachs Leinen und aus Wolle Loden hergestellt. Außerdem wirkten sich verschiedene Einflüsse von außen und Kleiderordnungen des Landesherrn auf die Entwicklung der orts- oder standesüblichen Tracht aus. So etwa die Bayerische Kleiderordnung Kurfürst Maximilians von 1626. | ||
Die frühesten Darstellungen von Kleidung im Reichenhaller Raum finden sich auf den Mirakeltafeln von 1513 in der Wallfahrtskirche Großgmain: Die Frauen tragen ein bodenlanges, langärmeliges Kleid und ein Gebände (Kopftuch), die Männer Rock oder Wams und eng anliegende Beinlinge. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam die spanische Hoftracht in Mode. Ihre Pluderhosen und Halskrausen dominierten noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts die Kleidung der Männer in Reichenhall. | Die frühesten Darstellungen von Kleidung im Reichenhaller Raum finden sich auf den Mirakeltafeln von 1513 in der Wallfahrtskirche Großgmain: Die Frauen tragen ein bodenlanges, langärmeliges Kleid und ein Gebände (Kopftuch), die Männer Rock oder Wams und eng anliegende Beinlinge. | ||
'''Spanische Hoftracht''' | |||
Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam die spanische Hoftracht in Mode. Ihre Pluderhosen und Halskrausen dominierten noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts die Kleidung der Männer in Reichenhall. | |||
'''Versailles als Vorbild''' | |||
Seit dem späten 17. Jahrhundert galt die französische Hofmode aus Versailles als Vorbild für Europa. Bei den Männern bestand sie aus dem langen Rock „Justaucorps“, der Weste „Gilet“ und der Kniebundhose „Culotte“. Frauen trugen einen knöchellangen Rock, eine Schnürbrust (Mieder) und eine T-förmig geschnittene Jacke mit kurzen oder langen Ärmeln. Zur Arbeit wurde eine Schürze umgebunden. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelangte diese Mode in vereinfachter Form ins Reichenhaller Tal. In den 1780er Jahren führte Johann Sebastian Clais Reformen an der Reichenhaller Saline durch. Dabei waren auch eigene Uniformen für das Salinenpersonal vorgesehen. Die heutige Salzbruderschaft trägt weiß-blaue Knappenuniformen. | Seit dem späten 17. Jahrhundert galt die französische Hofmode aus Versailles als Vorbild für Europa. Bei den Männern bestand sie aus dem langen Rock „Justaucorps“, der Weste „Gilet“ und der Kniebundhose „Culotte“. Frauen trugen einen knöchellangen Rock, eine Schnürbrust (Mieder) und eine T-förmig geschnittene Jacke mit kurzen oder langen Ärmeln. Zur Arbeit wurde eine Schürze umgebunden. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelangte diese Mode in vereinfachter Form ins Reichenhaller Tal. In den 1780er Jahren führte Johann Sebastian Clais Reformen an der Reichenhaller Saline durch. Dabei waren auch eigene Uniformen für das Salinenpersonal vorgesehen. Die heutige Salzbruderschaft trägt weiß-blaue Knappenuniformen. | ||
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''Zur Jungfrauentracht gehört außer den weißpercalenen Unterröckl (Unterjacke) und der weißen Schürze der Goldbund'' („Böndl“ oder "Tittmoninger Häubchen")'', ein ovales Häubchen, das den Zopf bedeckt, aus reicher Goldstickerei mit einer breiten Goldspitze rings umzogen; unter der Nadel, die den Bund festhält, wird ein Rosmarinkranz durchgeschlungen. Die Braut trägt den Gürtel und zur Trauer schlingt man den Klagschleier um Brust und Rücken, doch bleibt hier das Gesicht frei.“'' | ''Zur Jungfrauentracht gehört außer den weißpercalenen Unterröckl (Unterjacke) und der weißen Schürze der Goldbund'' („Böndl“ oder "Tittmoninger Häubchen")'', ein ovales Häubchen, das den Zopf bedeckt, aus reicher Goldstickerei mit einer breiten Goldspitze rings umzogen; unter der Nadel, die den Bund festhält, wird ein Rosmarinkranz durchgeschlungen. Die Braut trägt den Gürtel und zur Trauer schlingt man den Klagschleier um Brust und Rücken, doch bleibt hier das Gesicht frei.“'' | ||
Mehrere Maßnahmen des Königs zur Förderung der Trachten, wie etwa Prämien für Brautpaare, die sich in Landestracht trauen ließen, brachten nicht den erhofften Erfolg. Weitaus wirksamer war das Auftreten der Wittelsbacher in Tracht bei der Jagd. Ebenso wie die Habsburger haben sie die praktische Kleidung ihrer Jäger übernommen, wodurch sie in den höchsten Kreisen salonfähig wurde. Selbstverständlich hatte man die königlichen Kleidungstücke aufwendiger gestaltet und verziert, was sich wiederum auf die Gestaltung des Gewands der Jäger auswirkte. Das Arbeitsgewand der Holzknechte im Gebirge (vornehmlich Tirols) bestand aus kurzer Lederhose aus Schaf- oder Ziegenleder und Joppe. Die alpenländische Lederhose geht in ihren Ursprüngen auf die „Culotte“ die französische Kniebundhose der Barockzeit zurück, die im 18. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa in fast allen Bevölkerungsschichten die übliche Hose darstellte. | Mehrere Maßnahmen des Königs zur Förderung der Trachten, wie etwa Prämien für Brautpaare, die sich in Landestracht trauen ließen, brachten nicht den erhofften Erfolg. Weitaus wirksamer war das Auftreten der Wittelsbacher in Tracht bei der Jagd. Ebenso wie die Habsburger haben sie die praktische Kleidung ihrer Jäger übernommen, wodurch sie in den höchsten Kreisen salonfähig wurde. Selbstverständlich hatte man die königlichen Kleidungstücke aufwendiger gestaltet und verziert, was sich wiederum auf die Gestaltung des Gewands der Jäger auswirkte. Das Arbeitsgewand der Holzknechte im Gebirge (vornehmlich Tirols) bestand aus kurzer Lederhose aus Schaf- oder Ziegenleder und Joppe. Die alpenländische Lederhose geht in ihren Ursprüngen auf die „Culotte“ die französische Kniebundhose der Barockzeit zurück, die im 18. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa in fast allen Bevölkerungsschichten die übliche Hose darstellte. | ||
'''Industriealisierung verändert Kleidungsverhalten''' | |||
Durch die fortschreitende Industriealisierung setzten sich ab den 1850er Jahren viele weitere neue Stoffe und Schnitte durch und verdrängten damit die Trachtengewänder immer mehr. | Durch die fortschreitende Industriealisierung setzten sich ab den 1850er Jahren viele weitere neue Stoffe und Schnitte durch und verdrängten damit die Trachtengewänder immer mehr. |