Arbeiterrat und Soldatenrat nach dem Ersten Weltkrieg in Bad Reichenhall: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Image:Klotz.jpg|thumbnail|Alois Klotz 1870-1939]]
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'''Ende der Monarchie  1918, Auswirkungen in Bad Reichenhall'''
'''Übergang vom kommunalen Zweikammersystem über den Volksrat zu einem neuen Stadtrat'''
'''Übergang vom kommunalen Zweikammersystem über den Volksrat zu einem neuen Stadtrat'''


Im November 1918 war Deutschland mit seinen Kräften am Ende und musste, um den
Im November 1918 war Deutschland mit seinen Kräften am Ende und musste, um den
Ersten Weltkrieg zu beenden, bei seinen Gegnern um Waffenstillstand ansuchen.
I. Weltkrieg zu beenden, bei seinen Gegnern um Waffenstillstand ansuchen.
In Deutschland stürzten die Regierungen und die Monarchien, revolutionäre Unruhen und die Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten waren die Folge. Der Systemwechsel geschah nicht
In Deutschland stürzten die Regierungen und die Monarchien, revolutionäre Unruhen und die Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten waren die Folge. Der Systemwechsel geschah nicht
immer gewaltfrei, bereits im Dezember kam es in Berlin zu Gewaltexzessen durch das Militär.
immer gewaltfrei, bereits im Dezember kam es in Berlin zu Gewaltexzessen durch das Militär.
In Bad Reichenhall lief der Übergang zur parlamentarischen Demokratie unter Mitwirkung
In Bad Reichenhall lief der Übergang zur parlamentarischen Demokratie unter Mitwirkung
aller politischen Kräfte ruhiger ab als an vielen anderen Orten.  Mit der Entspannung der Lage
aller politischen Kräfte ruhiger ab als an vielen anderen Orten.  Mit der Entspannung der Lage
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'''Ereignisse in München'''
'''Ereignisse in München'''
 
 
Mit einer revolutionären Aktion  wurde am 7. / 8. November 1918 die alte Ordnung
Mit einer revolutionären Aktion  wurde am 7. / 8. November 1918 die alte Ordnung der
der Monarchie in München als erste in Deutschland gestürzt.
Monarchie in München als erste in Deutschland unblutig und vergleichsweise friedlich gestürzt. Der USPD- Vorsitzende Kurt Eisner  rief den "Freistaat Bayern" aus und erklärte die Monarchie für beendet. Sein politischer Gegner, der SPD Vorsitzende Erhard Auer, wurde davon überrascht. Die königliche Ministerialbürokratie schaute tatenlos zu. Daraufhin war Auer bereit, in eine provisorische Regierung mit einem Ministerpräsidenten Eisner einzutreten.
Der USPD-Vorsitzende Kurt Eisner  rief den "Freistaat Bayern" aus und erklärte die Monarchie
für beendet. Sein politischer Gegner, der SPD Vorsitzende Erhard Auer, wurde davon überrascht.
Die königliche Ministerialbürokratie schaute tatenlos zu. Daraufhin war Auer bereit, in eine
provisorische Regierung mit einem Ministerpräsidenten Eisner einzutreten.




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Einziger Herd der Unruhe hätten die Soldaten der Lazarette werden können; deren Sinn stand jedoch mehr auf Wiederherstellung ihrer Gesundheit und ausreichender Versorgung mit Lebensmitteln. Die Soldaten hatten bereits am Freitag, den 8. November, nachdem die Nachrichten aus München eingetroffen waren, spontan einen provisorischen Soldatenrat mit sieben Mitgliedern eingesetzt. Vereinzelt kam es zu Auseinandersetzungen wegen der militärischen Disziplin. So verweigerten einzelne Soldaten die Grußpflicht gegenüber den Offizieren oder sie verlangten die Ablegung der schwarz-weiß-roten Reichskokarde und der militärischen Rangabzeichen.
Einziger Herd der Unruhe hätten die Soldaten der Lazarette werden können; deren Sinn stand jedoch mehr auf Wiederherstellung ihrer Gesundheit und ausreichender Versorgung mit Lebensmitteln. Die Soldaten hatten bereits am Freitag, den 8. November, nachdem die Nachrichten aus München eingetroffen waren, spontan einen provisorischen Soldatenrat mit sieben Mitgliedern eingesetzt. Vereinzelt kam es zu Auseinandersetzungen wegen der militärischen Disziplin. So verweigerten einzelne Soldaten die Grußpflicht gegenüber den Offizieren oder sie verlangten die Ablegung der schwarz-weiß-roten Reichskokarde und der militärischen Rangabzeichen.
Die weiß-blaue bayerische Kokarde konnte beibehalten werden; damit trat die Gegnerschaft zur preußischen Militärführung durch die Soldaten deutlich hervor. In den Auseinandersetzungen zwischen den Militärangehörigen im Ort vermittelten Sebastian Stolz und Georg Hausmann.
Die weiß-blaue bayerische Kokarde konnte beibehalten werden; damit trat die Gegnerschaft zur preußischen Militärführung durch die Soldaten deutlich hervor. In den Auseinandersetzungen zwischen den Militärangehörigen am Ort vermittelten Sebastian Stolz und Georg Hausmann.


Die schnelle Bildung eines Volksrates, kurz nach dem Umsturz in München, war zu einem
Die schnelle Bildung eines Volksrates, kurz nach dem Umsturz in München, war zu einem
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Die Hauptforderungen des Soldatenrates lauteten:
Die Hauptforderungen des Soldatenrates lauteten:


''1. Die Abnahme sämtlicher reichsdeutscher  Kokarden. Abschaffung der Grußpflicht.''
''1. Die Abnahme sämtlicher reichsdeutscher  Kokarden. Abschaffung der Grußpflicht.
''


''2. Ablieferung der Waffen und Munition der Zivilbevölkerung an den Soldatenrat.''
''2. Ablieferung der Waffen und Munition der Zivilbevölkerung an den Soldatenrat.
''


''3. Unbedingte Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung.''
''3. Unbedingte Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung.
''


''4. Weiterbehandlung der Patienten durch Militärärzte.''
''4. Weiterbehandlung der Patienten durch Militärärzte.
''


''5. Gleichstellung der Beköstigung zwischen Offizieren und Mannschaften.''
''5. Gleichstellung der Beköstigung zwischen Offizieren und Mannschaften.
''


''6. Bekämpfung der Wucherpreise, des Schleichhandels und der Großhamsterei.''
''6. Bekämpfung der Wucherpreise, des Schleichhandels und der Großhamsterei.
''


Der Soldatenrat wurde mit dem  Garnisonskommando bereits am 8. Februar 1919
Der Soldatenrat wurde mit dem  Garnisonskommando bereits am 8. Februar 1919
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Unabhängig vom Volksrat bestanden Magistrat und Gemeindekollegium bis zur Wahl des
Unabhängig vom Volksrat bestanden Magistrat und Gemeindekollegium bis zur Wahl des
neuen Stadtrats im Juni 1919 weiter.
neuen Stadtrats im Juni 1919 weiter.
Der Volksrat  konnte keine direkten Weisungen an Behörden oder Polizei erteilen, das war nur mittelbar über den Magistrat oder das Bezirksamt möglich, obwohl der Soldatenrat und der Arbeiterrat die Kontrolle der Behörden durch ihre Gremien mehrfach forderten.
Der Volksrat  konnte keine direkten Weisungen an Behörden oder Polizei erteilen, das war nur mittelbar über den Magistrat oder das Bezirksamt möglich, obwohl der Soldatenrat und der Arbeiterrat die Kontrolle der Behörden durch ihre Gremien mehrfach forderten.
Bereits die Regierung Eisner hatte die weitere Zuständigkeit der Behörden verfügt
Bereits die Regierung Eisner hatte die weitere Zuständigkeit der Behörden verfügt
und den direkten Eingriff der Volksräte untersagt.
und den direkten Eingriff der Volksräte untersagt.
Mit den Wahlen zum Landtag und zur Nationalversammlung im Januar 1919 war der Weg zur parlamentarischen Demokratie eingeleitet. Kommunalwahlen sollten bereits im Mai stattfinden.
Mit den Wahlen zum Landtag und zur Nationalversammlung im Januar 1919 war der Weg zur parlamentarischen Demokratie eingeleitet. Kommunalwahlen sollten bereits im Mai stattfinden.
In Folge der zweiten Revolution wurden in ganz Bayern die Arbeiterräte neu gewählt.
In Folge der zweiten Revolution wurden in ganz Bayern die Arbeiterräte neu gewählt.
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Bei den Wahlen im Januar hatte die USPD in Bad Reichenhall nur eine Stimme erhalten.
Bei den Wahlen im Januar hatte die USPD in Bad Reichenhall nur eine Stimme erhalten.
Auch im gesamten Land Bayern haben sich die Erwartungen der USPD nicht erfüllt.
Die USPD hatte Schwierigkeiten die Mehrheitsentscheidung der Wähler zu akzeptieren.
Statt auf die  parlamentarische Demokratie setzten sie nun mehr auf eine Räteregierung.
Die Ermordung Kurt Eisners durch Graf Arco hatte dann einen Schub der Radikalisierung ausgelöst. Arbeitslosigkeit und Inflation ließen die Zustimmung zur USPD ansteigen.
Die Ermordung Kurt Eisners durch Graf Arco hatte dann einen Schub der Radikalisierung ausgelöst. Arbeitslosigkeit und Inflation ließen die Zustimmung zur USPD ansteigen.
Der Pragmatismus des Arbeiterrates missfiel offenbar einigen revolutionären Kräften: So gründete Jakob Freundshuber mit 15 weiteren Genossen am 28. April 1919 eine USPD - Ortsgruppe
Der Pragmatismus des SPD geführten Arbeiterrates missfiel offenbar einigen revolutionären Kräften: So gründete Jakob Freundshuber mit 15 weiteren Genossen am 28. April 1919 eine
in Bad Reichenhall. Er protestierte gegen den Arbeiterrat und erklärte das kommunistische Manifest zum Programm der USPD. Weiter erklärte Freundshuber, im Gegensatz zum Arbeiterrat stünde die USPD nicht hinter der gewählten Regierung Hoffmann in Bamberg, sondern sie unterstütze die Räteregierung in München. Wenig überzeugend war, dass die USPD zwei Wochen zuvor das Gegenteil vertreten hatte und nach dem Sturz der Räteregierung wieder für die Regierung Hoffmann eintrat. Die USPD - Ortsgruppe in Bad Reichenhall war trotz starker Aktivitäten nicht von langer Dauer.
USPD - Ortsgruppe in Bad Reichenhall. Er protestierte gegen den Arbeiterrat und erklärte das kommunistische Manifest zum Programm der USPD. Weiter erklärte Freundshuber, im Gegensatz zum Arbeiterrat stünde die USPD nicht hinter der gewählten Regierung Hoffmann in Bamberg, sondern sie unterstütze die Räteregierung in München. Wenig überzeugend war, dass die USPD zwei Wochen zuvor das Gegenteil vertreten hatte und nach dem Sturz der Räteregierung wieder für die Regierung Hoffmann eintrat. Die USPD - Ortsgruppe in Bad Reichenhall war trotz starker Aktivitäten nicht von langer Dauer.




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Ein Bauernrat, wie beabsichtigt, kam für Bad Reichenhall nicht zustande.
Ein Bauernrat, wie beabsichtigt, kam für Bad Reichenhall nicht zustande.
Sebastian Stolz wurde jedoch am 30. Dezember 1918 für Bad Reichenhall mit Sebastian Leitner (Niederbergerbauer) und Georg Fuchs (Thomabauer) aus Karlstein in den Distriktsbauernrat gewählt. Die gesicherte Milchversorgung für die Stadt war auch für den Arbeitersekretär von zentraler Bedeutung. Der [[Milchzentralisation und Milchstreik nach dem Ersten Weltkrieg|Milchstreik]] und der Streit mit den Marzoller Bauern beschäftigte Arbeiterrat und Distriktsbauernrat in der Folge mehrfach.
Sebastian Stolz wurde jedoch am 30. Dezember 1918 für Bad Reichenhall mit Sebastian Leitner (Niederbergerbauer) und Georg Fuchs (Thomabauer) aus Karlstein in den Distriktsbauernrat gewählt. Die gesicherte Milchversorgung für die Stadt war auch für den Arbeitersekretär von zentraler Bedeutung. Der Milchstreik und der Streit mit den Marzoller Bauern beschäftigte Arbeiterrat und Distriktsbauernrat in der Folge mehrfach.




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'''Quellen :'''


== Quellen ==
Max Spindler (Hg.), Albert Schwarz: Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV, Seite  383-465   
 
Albert Schwarz (Hrsg. Max Spindler): Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV, Seite  383-465   
 
Wolfgang Zorn: Bayerns Geschichte im 20. Jahrhundert


Wolfgang Zorn: Bayerns Geschichte im 20. Jahrhundert
Johannes Lang: Geschichte von Bad Reichenhall, 2009
Johannes Lang: Geschichte von Bad Reichenhall, 2009
 
Mark Jones: Am Anfang war Gewalt, 2017
Haus der Bayerischen Geschichte, www.hdbg.de
Haus der Bayerischen Geschichte, www.hdbg.de


Der Grenzbote 1918 bis 1921 (Archiv der Stadt Bad Reichenhall)
Der Grenzbote 1918 bis 1921, (Archiv der Stadt Bad Reichenhall)


Beschlussprotokoll des Magistrat 1918-19 (Archiv der Stadt Bad Reichenhall)
Beschlussprotokolle des Magistrats 1918-19, (Archiv der Stadt Bad Reichenhall)


Fotos: Archiv der Stadt Bad Reichenhall
Fotos: (Archiv der Stadt Bad Reichenhall)




'''Bearbeitung:''' Rudolf Schamberger
'''Bearbeitung:''' Rudolf Schamberger