Kleidung im Reichenhaller Raum (ab 1500): Unterschied zwischen den Versionen

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Das Wort „Tracht“ bezeichnet ursprünglich das Getragene, die getragene Kleidung. Heute versteht man darunter das meist ländliche Fest- (und Alltags-)gewand, welchem man – im Gegensatz zur städtischen modischen Kleidung - eine lange Tradition unterstellt.
Das Wort „Tracht“ bezeichnet ursprünglich das Getragene, die getragene Kleidung. Heute versteht man darunter das meist ländliche Fest- (und Alltags-)gewand, welchem man – im Gegensatz zur städtischen modischen Kleidung - eine lange Tradition unterstellt.


Vor dem 17. Jahrhundert unterschied sich das Gewand regional kaum. Zwischen Stadt- und Landbewohnern bestanden Unterschiede in Material, Farben und Verzierung, weniger im Schnitt. Die jeweiligen Stände trugen unterschiedliche Kleidung, eiferten jedoch den Fürstenhöfen in Sachen Mode nach. Neuerungen übernahmen zunächst die Adeligen, dann die Bürger und schließlich die Handwerker und Bauern. Auf diese Weise erreichten die Modeströmungen mit zeitlicher Verzögerung alle Schichten der Bevölkerung. Das Erscheinungsbild der Kleidung hing ab vom wirtschaftlichen Wohlstand der Bevölkerung und vom textilen Handwerk der Gegend. In der Region um Reichenhall wurde aus Flachs Leinen und aus Wolle Loden hergestellt. Außerdem wirkten sich verschiedene Einflüsse von außen und Kleiderordnungen des Landesherrn auf die Entwicklung der orts- oder standesüblichen Tracht aus.
Vor dem 17. Jahrhundert unterschied sich das Gewand regional kaum. Zwischen Stadt- und Landbewohnern bestanden Unterschiede in Material, Farben und Verzierung, weniger im Schnitt. Die jeweiligen Stände trugen unterschiedliche Kleidung, eiferten jedoch den Fürstenhöfen in Sachen Mode nach. Neuerungen übernahmen zunächst die Adeligen, dann die Bürger und schließlich die Handwerker und Bauern. Auf diese Weise erreichten die Modeströmungen mit zeitlicher Verzögerung alle Schichten der Bevölkerung. Das Erscheinungsbild der Kleidung hing ab vom wirtschaftlichen Wohlstand der Bevölkerung und vom textilen Handwerk der Gegend. In der Region um Reichenhall wurde aus Flachs Leinen und aus Wolle Loden hergestellt. Außerdem wirkten sich verschiedene Einflüsse von außen und Kleiderordnungen des Landesherrn auf die Entwicklung der orts- oder standesüblichen Tracht aus. So etwa die Bayerische Kleiderordnung Kurfürst Maximilians von 1626.


Die frühesten Darstellungen von Kleidung im Reichenhaller Raum finden sich auf den Mirakeltafeln von 1513 in der Wallfahrtskirche Großgmain: Die Frauen tragen ein bodenlanges, langärmeliges Kleid und ein Gebände (Kopftuch), die Männer Rock oder Wams und eng anliegende Beinlinge. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam die spanische Hoftracht in Mode. Ihre Pluderhosen und Halskrausen dominierten noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts die Kleidung der Männer in Reichenhall. Seit dem späten 17. Jahrhundert galt die französische Hofmode aus Versailles als Vorbild für Europa. Bei den Männern bestand sie aus dem langen Rock „Justaucorps“, der Weste „Gilet“ und der Kniebundhose „Culotte“. Frauen trugen einen knöchellangen Rock, eine Schnürbrust (Mieder) und eine T-förmig geschnittene Jacke mit kurzen oder langen Ärmeln. Zur Arbeit wurde eine Schürze umgebunden. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelangte diese Mode in vereinfachter Form ins Reichenhaller Tal. In den 1780er Jahren führte Johann Sebastian Clais Reformen an der Reichenhaller Saline durch. Dabei waren auch eigene Uniformen für das Salinenpersonal vorgesehen. Die heutige Salzbruderschaft trägt weiß-blaue Knappenuniformen.
Die frühesten Darstellungen von Kleidung im Reichenhaller Raum finden sich auf den Mirakeltafeln von 1513 in der Wallfahrtskirche Großgmain: Die Frauen tragen ein bodenlanges, langärmeliges Kleid und ein Gebände (Kopftuch), die Männer Rock oder Wams und eng anliegende Beinlinge. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam die spanische Hoftracht in Mode. Ihre Pluderhosen und Halskrausen dominierten noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts die Kleidung der Männer in Reichenhall.  
 
Seit dem späten 17. Jahrhundert galt die französische Hofmode aus Versailles als Vorbild für Europa. Bei den Männern bestand sie aus dem langen Rock „Justaucorps“, der Weste „Gilet“ und der Kniebundhose „Culotte“. Frauen trugen einen knöchellangen Rock, eine Schnürbrust (Mieder) und eine T-förmig geschnittene Jacke mit kurzen oder langen Ärmeln. Zur Arbeit wurde eine Schürze umgebunden. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelangte diese Mode in vereinfachter Form ins Reichenhaller Tal. In den 1780er Jahren führte Johann Sebastian Clais Reformen an der Reichenhaller Saline durch. Dabei waren auch eigene Uniformen für das Salinenpersonal vorgesehen. Die heutige Salzbruderschaft trägt weiß-blaue Knappenuniformen.
[[Datei:Mirakeltafel 1615.jpg|mini|Mirakeltafel Wallfahrtskirche Feldkirchen (Ainring), 1615]]
[[Datei:Mirakeltafel 1615.jpg|mini|Mirakeltafel Wallfahrtskirche Feldkirchen (Ainring), 1615]]
Der Niedergang der landschaftsgebundenen und standesgemäßen Kleidung begann an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert und vollzog sich in wenigen Jahrzehnten. Durch die Ideen der Aufklärung gerieten die Vorschriften ins Wanken, welche seit Jahrhunderten die Kleidung der verschiedenen Stände geregelt hatten. Und in den Jahren nach der Französischen Revolution verloren sie rasch an Bedeutung. Die Bevölkerung auf dem Land begann, sich an internationaler Mode zu orientieren. Außerdem waren die industriell hergestellten Stoffe (z.B. Baumwolle) günstig zu kaufen und die Schnitte der „städtischen“ Mode bequemer zu tragen als die nun als altmodisch geltende herkömmliche Kleidung.
Der Niedergang der landschaftsgebundenen und standesgemäßen Kleidung begann an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Durch die Ideen der Aufklärung gerieten die Vorschriften ins Wanken, welche seit Jahrhunderten die Kleidung der verschiedenen Stände geregelt hatten. Und in den Jahren nach der Französischen Revolution verloren sie rasch an Bedeutung. Die Bevölkerung auf dem Land begann, sich an internationaler Mode zu orientieren. Außerdem waren die industriell hergestellten Stoffe (z.B. Baumwolle) günstig zu kaufen und die Schnitte der „städtischen“ Mode bequemer zu tragen als die nun als altmodisch geltende herkömmliche Kleidung.




'''Volkstracht von Königs Gnaden'''
'''Volkstracht von Königs Gnaden'''


Um eine Wiederbelebung der alten Trachten in den verschiedenen Gegenden des Königreichs bemühte sich bereits König Ludwig I. von Bayern. Er erkannte in der Pflege der Tracht und der Bräuche ein Mittel zur Stärkung des bayerischen Nationalgefühls, besonders für die neu hinzugekommenen Gebiete in Franken und Schwaben. Dabei sollten diese Gebiete nicht angeglichen, sondern ihre eigene Kultur bewahrt und gefördert werden. Bei der Silbernen Hochzeit Ludwigs I. und seiner Gemahlin Königin Therese 1835 waren einzelne bayerische Landgerichte mit Trachtengruppen vertreten, die in einem langen Festzug am Königszelt auf der Theresienwiese vorbeizogen. Zur Vermählung des Kronprinzen Maximilian, des späteren Königs Maximilian II., mit Prinzessin Marie von Preußen im Jahre 1842 wurden 35 Brautpaare aus ganz Bayern eingeladen. Diese mussten in ihrer heimischen Tracht erscheinen und durften alle in ihrer Heimat üblichen Begleitpersonen, wie Hochzeitslader oder Kranzljungfrauen, mitbringen. Derartige Veranstaltungen sollten die tiefe Verbundenheit der Bevölkerung mit dem Königshaus demonstrieren. Das Landgericht Reichenhall war dabei mit einem Brautzug und Gebirgsschützen vertreten. Da jedoch nicht genügend Kleidungsstücke für den Brautzug aufzutreiben waren, mussten verschiedene Einzelteile nachgeschneidert werden.
Um eine Wiederbelebung von alten Trachten in den verschiedenen Gegenden des Königreichs bemühte sich bereits König Ludwig I. von Bayern. Er erkannte in der Pflege der Tracht und der Bräuche ein Mittel zur Stärkung des bayerischen Nationalgefühls, besonders für die neu hinzugekommenen Gebiete in Franken und Schwaben. Dabei sollten diese Gebiete nicht angeglichen, sondern ihre eigene Kultur bewahrt und gefördert werden. Bei der Silbernen Hochzeit Ludwigs I. und seiner Gemahlin Königin Therese 1835 waren einzelne bayerische Landgerichte mit Trachtengruppen vertreten, die in einem langen Festzug am Königszelt auf der Theresienwiese vorbeizogen. Zur Vermählung des Kronprinzen Maximilian, des späteren Königs Maximilian II., mit Prinzessin Marie von Preußen im Jahre 1842 wurden 35 Brautpaare aus ganz Bayern eingeladen. Diese mussten in ihrer heimischen Tracht erscheinen und durften alle in ihrer Heimat üblichen Begleitpersonen, wie Hochzeitslader oder Kranzljungfrauen, mitbringen. Derartige Veranstaltungen sollten die tiefe Verbundenheit der Bevölkerung mit dem Königshaus demonstrieren. Das Landgericht Reichenhall war dabei mit einem Brautzug und Gebirgsschützen vertreten.  
[[Datei:Votivtafel St. Pankraz, Karlstein, 1708 (Foto Andreas Hirsch).jpg|mini|Votivtafel in St. Pankraz, Karlstein, 1708]]
[[Datei:Votivtafel St. Pankraz, Karlstein, 1708 (Foto Andreas Hirsch).jpg|mini|Votivtafel in St. Pankraz, Karlstein, 1708]]
König Maximilian ließ 1852 durch die Regierungen in den Landgerichten ermitteln, ''„in welchen Gegenden… sich noch die alte Tracht der Bürger- und Landleute erhalten hat und auf welche Weise… getreue Abbildungen erhalten werden könnten.“'' Der Regierungspräsident antwortete: ''„Die Volkstrachten werden hauptsächlich durch die Richtung der Produktion und der Industrie des Landes bestimmt und unterliegen – gleich den Anzügen der höheren Stände – allmählich der Neuerung, die sich auf Wohlfeilheit'' (kostengünstig) ''und Zweckmäßigkeit gründen. Diesen Einwirkungen gegenüber wird es immer eine schwierige Aufgabe bleiben, alle alther gekommenen Volkstrachten fortan zu erhalten, abgesehen davon, daß einige derselben namentlich bei dem weiblichen Geschlechte, auf die körperliche Entwicklung nachteilig einwirken oder die finanziellen Kräfte der Gegenwart übersteigen.“''  Als Ergebnis der Erhebung für das Landgericht Reichenhall konnte er mitteilen: ''„Außer den Gebirgsschützen hat sich in diesem Bezirk eine eigentümliche Tracht nicht erhalten.“'' Die Kleidung dieser Zeit, die wir heute als Tracht bezeichnen würden, entsprach nicht den damaligen Vorstellungen von einer über einen langen Zeitraum tradierten, ehrwürdigen „Nationaltracht“ oder „Volkstracht“.
König Maximilian ließ 1852 durch die Regierungen in den Landgerichten ermitteln, ''„in welchen Gegenden… sich noch die alte Tracht der Bürger- und Landleute erhalten hat und auf welche Weise… getreue Abbildungen erhalten werden könnten.“'' Der Regierungspräsident antwortete: ''„Die Volkstrachten werden hauptsächlich durch die Richtung der Produktion und der Industrie des Landes bestimmt und unterliegen – gleich den Anzügen der höheren Stände – allmählich der Neuerung, die sich auf Wohlfeilheit'' (kostengünstig) ''und Zweckmäßigkeit gründen. Diesen Einwirkungen gegenüber wird es immer eine schwierige Aufgabe bleiben, alle alther gekommenen Volkstrachten fortan zu erhalten, abgesehen davon, daß einige derselben namentlich bei dem weiblichen Geschlechte, auf die körperliche Entwicklung nachteilig einwirken oder die finanziellen Kräfte der Gegenwart übersteigen.“''  Als Ergebnis der Erhebung für das Landgericht Reichenhall konnte er mitteilen: ''„Außer den Gebirgsschützen hat sich in diesem Bezirk eine eigentümliche Tracht nicht erhalten.“'' Die Kleidung der Landbevölkerung dieser Zeit, die wir heute als Tracht bezeichnen würden, entsprach nicht den damaligen Vorstellungen von einer über einen langen Zeitraum tradierten, ehrwürdigen „Nationaltracht“ oder „Volkstracht“.


Der Schriftsteller und Ethnograph Joseph Friedrich Lentner erstellte im Auftrag des Kronprinzen bzw. Königs zwischen 1846 und 1851 eine ethnographische Bestandsaufnahme des Landes.  Dabei stellte er fest, dass die Trachten im Laufe der Zeit Veränderungen durchliefen und sich auch im Landgericht Reichenhall etwa alle 30 Jahre - spätestens mit jeder nachfolgenden Generation - Neuerungen durchgesetzt hatten. Um 1800 herrschten demnach noch Leinen- und Lodenstoffe vor. Zwanzig Jahre später war Barchent (Mischgewebe aus Leinen und Baumwolle) üblich geworden und um 1850 trugen die Frauen Kordon (Cord), Seide und verschiedene Baumwollstoffe. Bei den Männern war um 1800 die lederne Bundhose verbreitet, welche nach 1820 allmählich von der kurzen Lederhose abgelöst wurde:
Der Schriftsteller und Ethnograph Joseph Friedrich Lentner erstellte im Auftrag des Kronprinzen bzw. Königs zwischen 1846 und 1851 eine ethnographische Bestandsaufnahme des Landes.  Dabei stellte er fest, dass die Trachten im Laufe der Zeit Veränderungen durchliefen und sich auch im Landgericht Reichenhall etwa alle 30 Jahre - spätestens mit jeder nachfolgenden Generation - Neuerungen durchgesetzt hatten. Um 1800 herrschten demnach noch Leinen- und Lodenstoffe vor. Zwanzig Jahre später war Barchent (Mischgewebe aus Leinen und Baumwolle) üblich geworden und um 1850 trugen die Frauen Kordon (Cord), Seide und verschiedene Baumwollstoffe. Bei den Männern war um 1800 die lederne Bundhose verbreitet, welche nach 1820 allmählich von der kurzen Lederhose abgelöst wurde:
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''Die heutige Zeit'' (um 1850) ''hat auch diese Tracht modernisiert; das Mieder im Unterinnthalerschnitt von dunklem Seidenzeug ist mit Goldborten verbrämt, um Hals und Nacken kommt eine Silberne Kette und ein buntes Seidentuch; das dunkle Korsett mit Gigotärmeln'' (Keulenärmel, Oberarm sehr weit, Unterarm sehr eng) ''und Rock werden aus Merino oder Halbseide gefertigt und am Haupte trägt man die übermäßige Pelzhaube des Chiemgaues oder den grauen Hut, der von einer schwarzen Seidenschnur mit Goldtroddeln verziert wird. Die Mädchen wählen zum Putze gewöhnlich rothe Persröcke'' (Baumwolle) ''und grüne Schürzen, das Korsett dunkel; vielfach wird das Kopftüchel getragen, an Festtagen Pelzhaube oder Hut.''
''Die heutige Zeit'' (um 1850) ''hat auch diese Tracht modernisiert; das Mieder im Unterinnthalerschnitt von dunklem Seidenzeug ist mit Goldborten verbrämt, um Hals und Nacken kommt eine Silberne Kette und ein buntes Seidentuch; das dunkle Korsett mit Gigotärmeln'' (Keulenärmel, Oberarm sehr weit, Unterarm sehr eng) ''und Rock werden aus Merino oder Halbseide gefertigt und am Haupte trägt man die übermäßige Pelzhaube des Chiemgaues oder den grauen Hut, der von einer schwarzen Seidenschnur mit Goldtroddeln verziert wird. Die Mädchen wählen zum Putze gewöhnlich rothe Persröcke'' (Baumwolle) ''und grüne Schürzen, das Korsett dunkel; vielfach wird das Kopftüchel getragen, an Festtagen Pelzhaube oder Hut.''


''Zur Jungfrauentracht gehört außer den weißpercalenen Unterröckl (Unterjacke) und der weißen Schürze der Goldbund'' („Böndl“)'', ein ovales Häubchen, das den Zopf bedeckt, aus reicher Goldstickerei mit einer breiten Goldspitze rings umzogen; unter der Nadel, die den Bund festhält, wird ein Rosmarinkranz durchgeschlungen. Die Braut trägt den Gürtel und zur Trauer schlingt man den Klagschleier um Brust und Rücken, doch bleibt hier das Gesicht frei.“''  
''Zur Jungfrauentracht gehört außer den weißpercalenen Unterröckl (Unterjacke) und der weißen Schürze der Goldbund'' („Böndl“ oder "Tittmoninger Häubchen")'', ein ovales Häubchen, das den Zopf bedeckt, aus reicher Goldstickerei mit einer breiten Goldspitze rings umzogen; unter der Nadel, die den Bund festhält, wird ein Rosmarinkranz durchgeschlungen. Die Braut trägt den Gürtel und zur Trauer schlingt man den Klagschleier um Brust und Rücken, doch bleibt hier das Gesicht frei.“''  
 
Mehrere Maßnahmen des Königs zur Förderung der Trachten, wie etwa Prämien für Brautpaare, die sich in Landestracht trauen ließen, brachten nicht den erhofften Erfolg. Weitaus wirksamer war das Auftreten der Wittelsbacher in Tracht bei der Jagd. Ebenso wie die Habsburger haben sie die praktische Kleidung ihrer Jäger übernommen, wodurch sie in den höchsten Kreisen salonfähig wurde. Selbstverständlich hatte man die königlichen Kleidungstücke aufwendiger gestaltet und verziert, was sich wiederum auf die Gestaltung des Gewands der Jäger auswirkte. Das Arbeitsgewand der Holzknechte im Gebirge (vornehmlich Tirols) bestand aus kurzer Lederhose aus Schaf- oder Ziegenleder und Joppe. Die alpenländische Lederhose geht in ihren Ursprüngen auf die „Culotte“ die französische Kniebundhose der Barockzeit zurück, die im 18. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa in fast allen Bevölkerungsschichten die übliche Hose darstellte. 


Mehrere Maßnahmen des Königs zur Förderung der Trachten, wie etwa Prämien für Brautpaare, die sich in Landestracht trauen ließen, brachten nicht den erhofften Erfolg. Weitaus wirksamer war das Auftreten der Wittelsbacher in Tracht bei der Jagd. Ebenso wie die Habsburger haben sie die praktische Kleidung ihrer Jäger übernommen, wodurch sie in den höchsten Kreisen salonfähig wurde. Selbstverständlich hatte man die königlichen Kleidungstücke aufwendiger gestaltet und verziert, was sich wiederum auf die Gestaltung des Gewands der Jäger auswirkte. Das Arbeitsgewand der Holzknechte im Gebirge (vornehmlich Tirols) bestand aus kurzer Lederhose aus Schaf- oder Ziegenleder und Joppe. Die alpenländische Lederhose geht in ihren Ursprüngen auf die „Culotte“ die französische Kniebundhose der Barockzeit zurück, die im 18. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa in fast allen Bevölkerungsschichten die übliche Hose darstellte.  
Durch die fortschreitende Industriealisierung setzten sich ab den 1850er Jahren viele weitere neue Stoffe und Schnitte durch und verdrängten damit die Trachtengewänder immer mehr.  
[[Datei:Festzug 1842.jpg|mini|Brautzug aus dem Landgericht Reichenhall, Festzug der 35 Brautpaare, 1842]]
[[Datei:Festzug 1842.jpg|mini|Brautzug aus dem Landgericht Reichenhall, Festzug der 35 Brautpaare, 1842]]
Der General-Oberarzt und Sanitätsrat Dr. Carl Emanuel Gabriel von Heinleth (1863-1952) lebte mehrere Jahre in Reichenhall. Über seine Erlebnisse in den 1880er Jahren in der Salinenstadt berichtete er 1934 in einer Zeitung: „''Nur hin und wieder stieß man tief im Gebirge auf einen Jäger oder Holzknecht in der Lederhose.''“ Als Befürworter der Tracht ging er eines Sonntags angetan mit seiner Lederhose zur Messe: „''Ich war tatsächlich dortmals in Reichenhall der Einzige und der Erste, der wieder eine Lederhose trug. Die Mannsleute und Burschen…tuschelten, schauten auf mich hin, und etliche meinten ,Schaugts eahm an!‘  Bald hatte ich auch einen Freund zur Lederhose überredet, und jetzt waren wir schon zwei. Wir besuchten auch allerhand, und die Reichenhallerinnen tanzten mit uns lustigen und luftigen Lederhosernen recht gern, ja auffällig gern. Mancherlei hatten wir damals natürlich auch von den Fremden zu leiden, denn sie hielten uns für die einzig echten Ureinwohner, für Halbwilde, schwere Raufbolde und sagenhafte Wildschützen, und manche Dame hat uns mit der Hand am Mund, das Lorgnon vor den Augen, mit scheuer, ängstlicher Neugier bestaunt, uns und vor allem die gamslederne Haut, die wir als Hose trugen: „Ist das nicht ganz zum Gruseln, eine Haut als Hose, wie die Wilden…“'' Tatsächlich galten sichtbare Knie noch länger als unschicklich. Die Kirche stand der Trachtenbewegung skeptisch oder sogar ablehnend gegenüber, da sie ihr unter anderem wegen der Kleidung und den Tänzen Sittenlosigkeit unterstellte. Die Treffen und Ausflüge von jungen Erwachsenen beiderlei Geschlechts ohne Aufsicht von Geistlichen oder bürgerlichen Honoratioren galten als moralisch bedenklich.
Der General-Oberarzt und Sanitätsrat Dr. Carl Emanuel Gabriel von Heinleth (1863-1952) lebte mehrere Jahre in Reichenhall. Über seine Erlebnisse in den 1880er Jahren in der Salinenstadt berichtete er 1934 in einer Zeitung: „''Nur hin und wieder stieß man tief im Gebirge auf einen Jäger oder Holzknecht in der Lederhose.''“ Als Befürworter der Tracht ging er eines Sonntags angetan mit seiner Lederhose zur Messe: „''Ich war tatsächlich dortmals in Reichenhall der Einzige und der Erste, der wieder eine Lederhose trug. Die Mannsleute und Burschen…tuschelten, schauten auf mich hin, und etliche meinten ,Schaugts eahm an!‘  Bald hatte ich auch einen Freund zur Lederhose überredet, und jetzt waren wir schon zwei. Wir besuchten auch allerhand, und die Reichenhallerinnen tanzten mit uns lustigen und luftigen Lederhosernen recht gern, ja auffällig gern. Mancherlei hatten wir damals natürlich auch von den Fremden zu leiden, denn sie hielten uns für die einzig echten Ureinwohner, für Halbwilde, schwere Raufbolde und sagenhafte Wildschützen, und manche Dame hat uns mit der Hand am Mund, das Lorgnon vor den Augen, mit scheuer, ängstlicher Neugier bestaunt, uns und vor allem die gamslederne Haut, die wir als Hose trugen: „Ist das nicht ganz zum Gruseln, eine Haut als Hose, wie die Wilden…“'' Tatsächlich galten sichtbare Knie noch länger als unschicklich. Die Kirche stand der Trachtenbewegung skeptisch oder sogar ablehnend gegenüber, da sie ihr unter anderem wegen der Kleidung und den Tänzen Sittenlosigkeit unterstellte. Die Treffen und Ausflüge von jungen Erwachsenen beiderlei Geschlechts ohne Aufsicht von Geistlichen oder bürgerlichen Honoratioren galten als moralisch bedenklich.
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'''Trachtenvereine'''
'''Trachtenvereine'''
[[Datei:Gebirgsschützen 1848.JPG|mini|Reichenhaller Gebirgsschützen, 1848]]
[[Datei:Gebirgsschützen 1848.JPG|mini|Reichenhaller Gebirgsschützen, 1848]]
Obwohl sich bereits 1871 in Graz ein Trachtenverein gründete, gilt Oberbayern als Wiege der Trachtenbewegung. In Bayrischzell entstand 1883 mit dem „Verein zur Erhaltung der Volkstrachten im Leitzachtal“ durch den Lehrer Josef Vogl (1848-1886) offenbar ein reiner Männerverein, in dem Frauen zunächst keine Rolle spielten. In der Folge gründeten sich im oberbayerischen Alpengebiet zahlreiche Vereine, die eine nach dem Vorbild der von Jägern und Holzknechten getragenen, sowie an ältere Tiroler Kleidungsformen angelehnte Tracht propagierten. Die so genannte „Miesbacher Tracht“ verbreitete sich so in ganz Altbayern und darüber hinaus. Dieses Gewand wurde von der seit 1853 bestehenden Miesbacher Schuhplattlergruppe „Gesellschaft Gemüthlichkeit“ getragen und stand bereits zur Mitte des 19. Jh. auch im Landgericht Reichenhall in Mode. Als Vereinszweck der Trachtenvereine galt „der Erhalt der Gebirgstracht, der Mundart und der alten Sitten und Gebräuche“. Außerdem führte man den Schuhplattler als Schautanz im bayerischen Alpengebiet ein. Ab 1893 entstanden im Reichenhaller Tal mehrere Vereinigungen, wie „D`Hohenstauffener“, „D´Schlegler“, die „Kirchhölzler“ und die „Almrausch-Gmoa“, die sich später in „Edelweisser“ umbenannte. Beim ersten Trachtenumzug zum Oktoberfest 1895 nahm auch eine Abordnung aus Reichenhall teil.  Am 18. Juni 1900 gründete sich der „GTEV Lustige Saalachthaler“. Die Marzoller Trachtler gründeten den Verein D´Grenzler 1901, in Karlstein entstanden 1907 D´Kranzlstoana und in Bayerisch Gmain D`Lattenberger 1908.
Obwohl sich bereits 1871 in Graz ein Trachtenverein gründete, gilt Oberbayern als Wiege der Trachtenbewegung. In Bayrischzell entstand 1883 mit dem „Verein zur Erhaltung der Volkstrachten im Leitzachtal“ durch den Lehrer Josef Vogl (1848-1886) offenbar ein reiner Männerverein, in dem Frauen zunächst keine Rolle spielten. Ging es doch anfangs vorrangig um die kurze Lederhose. In der Folge gründeten sich im oberbayerischen Alpengebiet zahlreiche Vereine, die eine nach dem Vorbild der von Jägern und Holzknechten getragenen, sowie an ältere Tiroler Kleidungsformen angelehnte Tracht propagierten. Die so genannte „Miesbacher Tracht“ verbreitete sich so in ganz Altbayern und darüber hinaus. Dieses Gewand wurde von der seit 1853 bestehenden Miesbacher Schuhplattlergruppe „Gesellschaft Gemüthlichkeit“ getragen und hatte bereits zur Mitte des 19. Jh. auch im Landgericht Reichenhall in Mode gestanden (siehe J. F. Lentner). Als Vereinszweck der Trachtenvereine galt „der Erhalt der Gebirgstracht, der Mundart und der alten Sitten und Gebräuche“. Außerdem führte man den Schuhplattler als Schautanz im bayerischen Alpengebiet ein. Ab 1893 entstanden im Reichenhaller Tal mehrere Vereinigungen, wie „D`Hohenstauffener“, „D´Schlegler“, die „Kirchhölzler“ und die „Almrausch-Gmoa“, die sich später in „Edelweisser“ umbenannte. Beim ersten Trachtenumzug zum Oktoberfest 1895 nahm auch eine Abordnung aus Reichenhall teil.  Am 18. Juni 1900 gründete sich der „GTEV Lustige Saalachthaler“. Die Marzoller Trachtler gründeten den Verein D´Grenzler 1901, in Karlstein entstanden 1907 D´Kranzlstoana und in Bayerisch Gmain D`Lattenberger 1908.




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